MINDELO
Mit unserer Ankunft auf den Kapverden waren wir erstmals mit unserer KAMA* in einem für uns exotischen Gebiet. Die Leute hatten eine dunkle Hautfarbe und ihre Sprache war nicht mehr immer nur verständlich. Die Bürokratie zum Einklarieren hielt sich in Grenzen. Das Papier, das uns die Ulknudel auf La Gomera ausstellte (aquí soy yo la policía) wurde tatsächlich akzeptiert. So konnten wir die gelbe Flagge Q anderntags bereits hinunter nehmen. So blieb in der Steuerbordsaling lediglich die stolze Gastlandflagge der Kapverden, die wir von Margrit und Jörg geschenkt bekamen. So eine grosse Flagge hatten wir noch nie. Nur, die Flagge war schon ein wenig enttäuscht, wehte sie doch letztmals auf der Shaka, einem prächtigen Schwan. Aber sie erholte sich rasch in ihrer Heimatluft und flatterte fröhlich in der frischen Seebrise vor sich hin.
Mindelo liegt im Norden der Insel São Vicente in der Baía do Porto Grande. Diese Bucht ist die Caldera, der Krater, eines erloschenen Unterwasser-Vulkans, deshalb sehr tief.
Über Jahrhunderte war deshalb der Hafen einer der grössten im Atlantik. Gelegen an den wichtigen Transatlantikrouten war er wichtiger Versorgungshafen für die Schiffe, früher zum Beispiel um Kohle für Ihre Dampfmaschinen aufzunehmen. An einem derart bedeutenden Hafen legen natürlich die unterschiedlichsten Völker an und so ist Mindelo ein regelrechter Schmelztiegel von Kulturen aus aller Welt. Die Lage mitten im Atlantik führte auch dazu, dass 1885 hier eine Telegraphen-Schaltstation eingerichtet wurde. 1912 war Mindelo die bedeutendste Kabelstation im Atlantik, in der neun Telegraphenkabel zusammen liefen. Tempi passati. Heute ist Mindelo Anlaufhafen vieler Kreuzfahrtschiffe.
In der Stadt bestaunt man immer noch die prächtigen Bauten aus der Kolonialzeit, grosszügig angelegte Strassen und Gärten.
Viel fröhliche Menschen bevölkern die Cafés und die Strassenecken.Ihr Motto: no stress.
Das alles täuscht aber nicht über die momentane Armut hinweg.
Der Ruhm und Reichtum vergangener Zeiten hilft den heutigen Menschen wenig.
Viele sind deshalb ausgewandert, haben ihre Heimat verlassen, um in der Ferne Geld zu verdienen, das sie dann auch wieder ihren Angehörigen zukommen lassen. Beliebtes Auswanderungsziel war Neufundland, weil sie dort als erfahrene Seefahrer und Fischer auf den Walfangschiffen gute Arbeit fanden. Das Fern- / Heimweh ist vor allem in der lokalen Musik ein wichtiges Thema und hat die verschiedenen Musikstile entstehen lassen (Morna, Coladeira), Sodade halt eben, ähnlich, wie wir das in Portugal erlebten. Sodade ist ein Begriff der Lebenslust, Wehmut und süsse Melancholie, Schmerz und Hoffnung, verlorene Liebe zusammenfasst. Die „noite caboverdeana“ ist auch heute noch fester Bestandteil vieler Cafés und Restaurants.
In Mindelo stiess Katja zu uns. Wir holten sie am 8.11. am Flughafen ab. Der Flughafen ist benannt nach der 2011 verstorbenen Sängerin Cesária Évora, die bekannt auch dadurch, dass sie ihre Konzerte immer barfuss gab, deshalb auch „barfüssige Diva“ genannt wurde.
Eigentlich hatten wir gar nicht soviel Zeit in Mindelo, weil wir weiter wollten, um so in Brasilien anzukommen, dass Stefan in die Schweiz zurückreisen kann um rechtzeitig seinen neuen Arbeitsplatz anzutreten. Dennoch streiften wir ein paar Mal durch die Stadt. Beim Verlassen des Hafengeländes haben uns die herum hängenden Jungen immer wieder nach Arbeit gefragt. Das tönte dann in etwa so: „ma mère fait aussi la lessive“. Aber sie waren immer nett, nie aggressiv.
Nachdem wir unsere KAMA* wieder mit Nahrungsmitteln gefüllt hatten, alles gecheckt und ausgeschlafen hatten, machten wir uns bereit für den grossen Sprung über den Atlantik in Richtung Brasilien.