DIE ÜBERQUERUNG DES ATLANTIKS
Natürlich waren wir alle ein bisschen gespannt. Niemand von uns wusste so genau, was uns auf der nächsten Etappe wartet. Je mehr Berichte man darüber liest, desto weniger weiss man, wie es wirklich ist. Alles wurde schon erlebt. Zudem war unsere geplante Route nicht ganz so üblich, weil sie mehr südwärts über den Äquator nach Brasilien und nicht einfach vor dem Wind in die Karibik führt. Vor uns lagen also die Kalmen (oder auch Mallungen genannt), die innertropische Konvergenzzone und viele viele Meilen.
Nach einem letzten schönen Abend in Mindelo wagten wir uns am 10.11. 17 die Leinen zu lösen um uns in das grosse Abenteuer zu stürzen. Also verliessen wir den Hafen, fuhren hinaus in die Bucht von Porto Grande und hatten schon das erste Problem.
Das Log zeigte gar nichts an, stand einfach still. Das ist insofern perfid, dass wir wahrscheinlich gar nicht gemerkt hätten, wann wir in Brasilien angekommen sind. Nein, Spass beiseite, aber etwas Navigation gehört trotz der heutigen Elektronik mit Satellitenunterstützung zu guter Seemannschaft und kann lebensrettend sein, falls die Elektronik einmal versagen sollte. Also machte sich Stefan, unser grosser Taucher an Bord, flugs auf unter KAMA* zu tauchen um den Impeller, den Loggeber zu deblockieren. Et voilà, das Gerät zeigte wieder einen vernünftigen Wert auf unseren Bildschirmen. Danke Stöff!
Also nun kann es richtig losgehen. Mit flottem Passatwind, Sonnenschein und den typischen Passatwölkchen ging es um die Nordwestspitze von São Vicente, am Leuchtturm und am Flughafen vorbei Richtung Süden.
In der Ferne sahen wir weitere Inseln der Kapverden (Ilha de Santa Luzia, Ilha de São Nicolau) im Dunst vorüberziehen. Der Wind hielt zwar nicht, was er versprochen hatte, doch kamen wir in der ersten Nacht gut voran, so dass wir am nächsten Mittag westlich der Ilha Brava lagen und zwar soweit westlich, dass wir weder Brava noch Fogo zu Gesicht bekamen.
Unser Ziel blieb, den Äquator irgendwo zwischen dem 25. und 30. westlichen Längengrad zu überqueren, weil dort momentan die Innertropische Konvergenzzone (ITKZ) am schmalsten ist. Kurz gesagt lässt sich dieses Gebiet beschreiben als die Zone, in welcher die Wettersysteme der Nord- und Südhalbkugel aufeinander treffen. Die Zone wird geprägt durch ein verwickeltes Zusammenwirken von Wetter- und Meereseinflüssen und ist völlig unberechenbar, schwer einzugrenzen und ebenso schwer zu verstehen. Obwohl die 50 – 300 sm breite Zone Kalmenzone oder Mallungen (engl. Doldrums) genannt wird, herrscht dort nicht immer nur Windstille. Oft gehen heftige Gewitter nieder mit tagelang wolkenbruchartigem Regen begleitet von Windböen bis 50 kn aus wechselnden Richtungen. Mall ist ein niederdeutsches Wort und meint verrückt, daher Mallungen.
Am Morgen des dritten Tages entdeckte Margrit in der Ferne Walfische. Auch Delphine waren oft unsere Begleiter.
Der Wind wurde allmählich schwächer, das Meer so richtig ölig, kein Hauch bewegt die Oberfläche. Totale Flaute eben. Die Kalmen machten ihrem Namen alle Ehre.
Die Wassertemperatur stieg
auf angenehme fast 31° C
Zum Glück haben wir einen grossen Dieseltank, was uns half nicht einfach nur sinnlos vor uns hin zu dümpeln. Wir haben auch das Privileg, einen Wassermacher an Bord zu haben, also keine Gefahr des Verdurstens. Nur, als wir dieses Teil in Betrieb nehmen wollten, merkten wir, dass eine Leitung gebrochen war. Also doch verdursten. Klarer Fall für Stefan, der ein Providurium bastelte.
Klar wurde auch gefischt und geschlachtet. So wurde mindestens das Boot und die Besatzung mal wieder gewaschen.
Grosses Reinemachen
Während etwa zwei Tagen fuhren wir durch einen Teil des Sargassomeers, ein Teppich von Braunalgen in der Ausdehnung grösser als Karibik und Mittelmeer zusammen. Hier treffen sich die Aale aus Europa und Amerika um zu laichen. Die Brut lebt dann als sogenannte Weidenblattlarve etwa drei Jahre im Atlantik bevor sie als Glasaal die Flussmündungen Westeuropas erreicht. Von da würden sie gerne die Flüsse hochsteigen…Diese Braunalge bildet Arme, die bis 300m lang werden. Sie sind angeblich auch sehr langlebig. Anscheinend hat schon Kolumbus die gleichen Algen gesehen wie wir. Es muss ein einmaliges Biotop sein. Brutstätte für viele Fische und anderes Getier.
Das Wetter wird zunehmend unbeständig. Sonnenschein wechselt sich ab mit dunklen Wolkensystemen. Squalls tauchen auf. Tagsüber sind diese Monster gut auszumachen. Nachts erkennt man sie auf dem Bildschirm des Radars. Ausweichen? Man hat dabei grosse Chancen einfach den nächsten zu trreffen. Wir haben Glück. Keines dieser eindrücklichen Wolkengebilde kommt mit allzu heftigen Winden daher. Auch Gewitter treffen wir in diesen von uns in liebevoller Erinnerung genannten „Scuol’s“ nur wenige.
Wir nähern uns dem Äquator, den wir am 19.11. um 1044 Uhr UTC bei 30° West überqueren. Nun, zu sehen gibt es da gerade mal gar nichts, ausser eben mehr oder weniger bewegtes Wasser. Nicht einmal geholpert hat’s. Trotzdem feierten wir das Ereignis mit einer Flasche Cidre, die wir noch von der Normandie her an Bord hatten. Neptun hat uns bereits vergeben, dass wir ihm nicht teuren Champagner hinter her gossen. Zum Zeitvertreib bastelten wir eine Flaschenpost und spekulierten, wo diese wohl angeschwemmt wird.
Und dann plötzlich, das Wetter wird wieder absolut gutartig. Wir geraten in den Südostpassat und können unser Ziel, Fernando do Noronha, direkt anliegen.
Müde, dann plötzlich das Ziel vor Augen.
Am 21. 11., nach elf Tagen laufen wir in die Ankerbucht dieses wunderbaren Naturparadieses ein. Der Anker fällt in glasklarem Wasser. Ringsum schwimmen die Delphine, man wähnt sich in einem Dolfinarium.
Und wir, wir sind einfach zufrieden, diesen Abschnitt unserer Reise so gut hinter uns gebracht zu haben. Hatten wir Langeweile? War es gefährlich, riskant? Nein, einfach nur gut im Rahmen der ganzen Familie ein solches Abenteuer bestreiten zu können. Vielleicht hatten wir ja einfach nur Glück. Über eine solche Distanz lassen sich ja nicht alle Unwägbarkeiten abschätzen. Wir gaben uns Mühe die Risiken minim zu halten und sind froh heute keine Horrorgeschichten erzählen zu müssen.