ILHA GRANDE und ANGRA DOS REIS

Ilha Grande und Angra dos Reis

Wir liessen also das hektische Rio hinter uns und folgten der Küste Richtung Westen. Dieser Streifen wird für die nächsten 200km Costa Verde genannt. Ein bezauberndes Stück Küste, wo urwaldüberwucherte, mit blühenden Bäumen gesprenkelte Berghänge teils schroff, teils sanft zum blaugrünen Meer abfallen. Unzählige Buchten, unglaubliche Strände, Wasserfälle, Berggipfel und Inseln finden sich entlang dieser gewundenen Küstenlinie.

Unser Ziel, das wir kurz vor dem Einnachten erreichten, war die Ilha Grande. Diese Insel verdankt ihren urtümlichen Zustand ihrer ungewöhnlichen Geschichte. Einst ein berüchtigtes Piratennest, wurde hier später eine Leprakolonie eingerichtet und diese dann zu einem späteren Zeitpunkt in eine Strafanstalt umgewandelt für politische Gefangene und Schwerverbrecher. Der zweifelhafte Ruf dieser Insel hielt Investoren lange auf Distanz, wodurch sich die Ilha Grande ihre vielen wunderschönen tropischen Strände und die unberührten Atlantischen Regenwälder (heute geschützt) bewahrt hat. Selbst heute gibt es hier nur wenige Siedlungen, keine Autos, aber viele Wanderwege, entlang der Strände, durch den Regenwald und bis zum höchsten Gipfel, dem Pico do Papagaio auf knapp 1000 m.

Bei Sonnenuntergang erreichen wir Ilha Grande

Es war schon fast dunkel, als wir vor der Praia dos Mangues in der Enseada das Palmas vor Anker gingen. Zwei drei andere Schiffe lagen hier ebenfalls vor Anker, unter anderen die Renata II mit Jean-Claude und Monique aus La Réunion, die wir seit Jacaré kennen und die in Rio neben uns lagen. Sie verliessen Urca zwei Tage vor uns, kamen in ein fürchterliches Wetter und zerrissen ihre Segel. Und dann war da noch ein Schiff, das wir auf den Abrolhos neben uns hatten, eine in Brasilien registrierte, riesige Elan. Ansonsten war da nichts. Kein Licht, kein Lärm, einfach nur die Geräusche der Natur aus dem Urwald. So verbrachten wir eine ruhige, ungestörte Nacht.

Fischer verbringen hier schutzsuchend vor dem nächsten Sturm die Nacht

Anderntags, wir genossen gerade unser Frühstück kam da jemand angeschwommen. Und wer lugte da aus dem Wasser? Martin, den wir von Urca her kannten. Klar, dass er mit uns frühstückte. Bald kam dann noch sein Bruder, sein Onkel, seine Schwester, die halbe Verwandtschaft angeschwommen und interessierten sich nicht nur fürs Frühstück, nein sondern auch für uns und unser Schiff. Da hatten wir mal richtig Betrieb auf unserer KAMA*. Sie kamen von der grossen Elan und einem Charterboot. Wir hatten uns viel zu erzählen. Das ging gut dank der guten Fremdsprachenkenntnisse dieser gebildeten Brasilianer. Ihre Kinder waren auch schon viel gereist und haben als brasilianische Meister im Optimistensegeln weltweit an Regatten teilgenommen. Da ist es schon gut, wenn man etwas sprachgewandt ist. Den Nachmittag verbrachten wir dann alle zusammen auf der Elan bei einer Grillade, bis sie abends wieder nach Rio zurückkehren mussten. Und wir hatten das Privileg in dieser schönen Ankerbucht zu bleiben, ohne wirklich an das Morgen denken zu müssen.

 

 

 

 

 

 

 

Die nächsten Tage verbrachten wir mit Wandern, dem Erkunden der Landschaft. Quer über die Insel befindet sich der unendlich lang scheinende Strand von Lopes Mendes. Er gilt als einer der schönsten Sandstreifen Brasiliens. Der zum Atlantik offene Sandstrand bietet perfekte Bedingungen zum Wellenreiten. Unglaublich, wir waren praktisch allein an diesem paradiesischen Flecken Erde. Nicht einmal von den Mücken wurden wir geplagt, die angeblich das Paradies manchmal etwas beeinträchtigen. Man muss sich hier vor diesen Viechern schon hüten, gilt die Insel doch als Gelbfieberendemiegebiet (so wie grosse weitere Teile Brasiliens). Wir vertrauten auf unseren Mückenspray und die Impfung und nahmen zur Kenntnis, dass es hier in der Gegend letzthin schon wieder einige Todesfälle gab aufgrund dieser Plage.

Dichter, vielfältiger Urwald, in welchem die Mücken offenbar nicht die einzige Gefahr darstellen, überzieht die Insel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Strand von Lopes Mendes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Wir verbrachten unsere Tage mit Baden und Wandern. Manchmal war sogar die kleine Strandbar geöffnet, wo wir uns hin und wieder eine Caipirinha gönnten. Der hintere Teil der Bar, die Küche, die blieb auch offen, wenn die Wirtin schon wieder mit ihrem Boot nach Hause gefahren war. So konnten die Bötlifahrer diese nutzen und den Abend und die Nacht zufrieden bei Grill und Gitarre  ausklingen lassen. Eigentlich hätten wir dieses Leben noch lange ertragen, lichteten aber doch den Anker und segelten ein paar Buchten weiter bis zum Saco de Ceu. Die Einfahrt um die Ponta Rapozinho ist zwar etwas tückisch, dahinter wähnt man sich aber in einem bei jedem Wind und Wetter gut geschützten Ententeich. Das Wasser ist hier so ruhig, dass sich nachts die Sterne spiegeln. In jener Ecke, in welcher wir ankerten, waren wir so alleine, dass es schon fast ein wenig unheimlich war. Wir schliefen aber gut und ungestört.

hier hinten um die Ecke, der Ponta Rapozinho liegt die Bucht
im Saco de Ceu

 

 

 

 

 

 

 

 

Am 16. 2. verholten wir hinüber zum Festland nach Verolme. Hier in dieser Bucht sind riesige Werften angesiedelt, aber auch eine mit allen erdenklichen Möglichkeiten ausgestatte Nobelmarina. Hier erhofften wir uns Genesung für unsern immer noch kränkelnden Volvo-Motor. Absolute Fehlanzeige! Wir waren ein deutlich zu kleines Brötchen, hatten ja auch nicht unseren Helikopter hier stationiert und es waren nicht unsere Angestellten, die sich um das Problem kümmerten. Immerhin konnten/durften wir hier unseren Tank noch mit bestem Diesel füllen, bevor wir unsere Reise nach Angra dos Reis fortsetzten.

 

Die Motorboote werden in riesigen Hallen gstapelt und bei Bedarf einfach mit dem Gabelstapler herausgefahren und zu Wasser gelassen.

 

 

 

 

 

Angra dos Reis liegt gleich um die Ecke in einer Bucht. Die Ortschaft ist nicht spektakulär oder besonders sehenswert, liegt aber schön eingebettet in der hügeligen Landschaft. Angra bedeutet Bucht und mit dos Reis sind die Heiligen drei Könige gemeint. Ganz so heilig scheint es hier aber nicht zuzugehen. Zuviel Reichtum hat sich hier angesammelt. Jede Nacht gibt es in der Umgebung Schiessereien, Überfälle und Plünderungen. Just zur Zeit unserer Anwesenheit hat das Militär die zivile Behörde abgelöst. Das merkte man auch daran, dass tagsüber die Strassencafés von den Offizieren besetzt waren. Ansonsten schien das Leben aber seinen normalen Lauf zu nehmen. Die Stadt zählt an die 120’000 Einwohner. Neben den grossen Schiffswerften sind hier vor allem auch die logistischen Basen der vielen offshore Ölförderanlagen.

Angra dos Reis

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir hatten die Möglichkeit bei Klaus Bartels an dessen Boje anzulegen. Er ist der Stützpunktleiter der Transocean Vereinigung und betreibt hier seit Jahren eine Pousada (Pousada do Alemão), die wunderschön am Wasser gelegen ist und über einen eigenen Steg verfügt. Bei unserer abendlichen Ankunft stand Klaus dort im strömenden Regen und dirigierte uns an die richtige Boje. Dann lud er uns auf ein Bier ein, bei welchem wir uns viel zu erzählen hatten. Ja, selbst Bernerwitze wurden uns von Klaus aufgetischt. Auch frühstücken durften wir jeweils bei ihm. Bei dieser Gelegenheit lernten wir von seiner Tochter die drei Minuten Eier in der Mikrowelle zuzubereiten. Für uns wichtig waren aber vor allem die Sprachkenntnisse von Klaus und sein soziales Beziehungsnetz. Trotzdem Fehlanzeige, auch er brachte es nicht fertig, uns einen Volvo-Mechaniker zu organisieren. Doch wir hatten es gut bei Klaus. Wir lagen sicher an seiner Boje und konnten von hier aus in die Stadt um unsere Einkäufe zu tätigen oder einfach zu flanieren. Abends sassen wir zusammen und er erzählte uns aus seinem reichen Schatz an seglerischem Wissen. Wir lernten auch viel über Land und Leute. Schmöckern in seinem Gästebuch war ein besonderer Genuss finden sich doch darin viele berühmte und uns zum Teil bekannte Schiffe verewigt, jetzt auch KAMA*.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem TO-Gästebuch. Hier die Karte der Santa Maria Australis,

die im Süden die hohen Breiten befährt.

 

 

Die TO-Flagge auf dem Steg von Klaus, die auch auf unserem Schiff weht.
Sicht vom Garten

 

 

 

 

 

 

 

 

Da uns also kein Mechaniker helfen wollte, entschieden wir uns wieder hinaus zu fahren auf die Insel, wo Margrit ihren Geburtstag feiern wollte. Wir wählten, auf Anraten von Klaus, die Enseada de Sítio forte. Das Anlaufen dieser Bucht ist nicht ganz ohne. Neben einigen Wracks liegt mittendrin ein eher ungewöhnlicher Felsklotz mit Wasserzapfstelle, an welchem man tatsächlich festmachen und Wasser bunkern könnte. Bei unserer Ankunft bekamen wir sofort Hilfe von den dort schon anwesenden Schifflifahrern. Keine Sorgen also und wir konnten unseren Aufenthalt in dieser Bucht so richtig geniessen. Auch hier nutzten wir die Strandbar und erforschten zu Fuss die Umgebung.

urwaldüberwucherte, mit blühenden Bäumen gesprenkelte Berghänge

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bébé, ein Quero Quero, halbzahm

 

 

 

 

 

 

 

und dann hier noch das Geburtstagskind auf dem Wasserfelsen

 

 

 

 

 

 

 

 

Doch nach zwei Tagen mussten, und ich betonte nochmals, mussten wir zurück nach Angra. Erstens kam Katja nach ihrem Aufenthalt mit ihren Kollegen in São Paulo wieder zu uns aufs Schiff zurück. Zweitens mussten wir in Angra ausklarieren, weil unsere Aufenthaltsbewilligung für Brasilien auslief. Da sind die Behörden unerbittlich, so nach dem Motto, wie du mir so ich dir. Dabei bedenken die Brasilianer aber nicht, dass sie in Europa Geld erwirtschaften wollen, umgekehrt aber ihre Touristen Geld nach Brasilien bringen (dies eine Aussage eines jungen, wahrscheinlich intelligenten Brasilianers). Wir brauchten über zwei Tage, bis wir alle Ämter abgeklopft hatten. Eigentlich war es noch amüsant. Die beiderseitigen, mangelhaften Sprachkenntnisse – wir kein portugiesisch, sie kein englisch – machten die Kommunikation nicht nur einfach. Jedenfalls als wir nach der Receite federal (Bundespolizei) mit den erhaltenen Papieren bei der Aduana, dem Zoll vorsprachen, verstanden sie dort überhaupt nicht, was wir wollten. Des Rätsels Lösung bestand darin, dass wir beim vorherigen Amt statt der Ausreise-, Einreisepapiere erhielten. Das wäre uns eigentlich auch Recht gewesen, nur Begriff man auf dem Zollbüro natürlich nicht, warum wir unser Schiff partout ausführen wollten, nachdem wir gerade erst angekommen sind. Also zurück auf Feld eins und am nächsten Tag wieder bei der Bundespolizei vorsprechen. Aber jetzt versuche einmal einem solchen Beamten ohne Sprachkenntnisse klar zu machen, dass da etwas falsch gelaufen ist. Das gab dann schon einen gröberen Auflauf in dieser Amtsstube. Jedenfalls war es nachmittags, als wir die frischen Papiere wieder dem Zoll vorlegen konnten. Mit all diesem Papierkram mussten wir dann noch zur Marinha do Brasil. Obwohl hier das Büro schon geschlossen war, zeigte man sich einsichtig und liess uns ein. Ohä, was mussten wir da hören. Wir sind im Bundesstaat Rio überhaupt nicht richtig einklariert. Auch die Kollegen dort haben alles falsch gemacht. Och, das könnte für uns nun aber ja tatsächlich unbequem werden. Diese Beamten zeigten aber wirkliche Grösse und erledigten für uns erst mal das richtige Einklarieren, um uns im gleichen Moment wieder auszuklarieren.

Ausgerüstet mit all den für uns (und auch für sie) nutzlosen Papieren verliessen wir also im letzten Moment Brasilien ? in Richtung Ilha Grande, wo wir hinter der Insel Ilha de Macacos in der Lagoa azul vor Anker gingen. Hier lagen wir gut geschützt und versteckt, genossen das Baden, Schnorcheln und das Leben an Bord. Katja hatte uns viel zu erzählen und wir freuten uns, ihr noch eine Ecke der Ilha Grande zu zeigen.

heftiger Regenguss bei unserer Ankunft hinter der Ilha de Macacos
Lagoa azul
so eine kleine Ferieninsel als Alternative zu durchwachten Ankernächten? Jedenfalls eine Überlegung wert, oder?

 

 

 

 

 

 

 

 

Zufrieden, von dieser Region einiges gesehen zu haben, segelten, d.h. motorten wir bei absolut ruhigem Wetter weiter durch die einzigartige Inselwelt , und freuten uns auf Paraty, das wir in diesem Labyrinth von Inseln und Buchten aber erst noch finden mussten.

Bedingungen, wie wir sie vom Murtensee kennen.