Das grosse Wasser, in der Sprache der Guaranì Indiander, I gu açu, also so jetzt für uns verständlich als Iguaçu, war unser Zwischenziel, als wir Piriapolis in Richtung Schweiz verliessen. Mit Dani und Rita flogen wir von Montevideo zuerst nach Buenos Aires und von dort über unendlich weite Gebiete zu den Cataratas, den Wasserfällen von Iguaçu.
Hier angekommen richteten wir uns vorerst im Hotel ein, wo wir es uns abends am Pool in der tropischen Wärme gut gehen liessen.
Die Wasserfälle wurden bereits 1542 entdeckt, als der Spanier Alvar Nuñez Cabeza de Vaca eine Verbindung vom Atlantik nach Asuncion suchte. Ende des 19. Jhdts wurden diese Naturschönheit immer mehr besucht und beidseits des Flusses begann sich Tourismus zu entwickeln. Zuerst Argentinien 1934, dann Brasilien 1939 richteten rund um die Fälle Nationalparks ein, die verbunden durch den Rio Iguaçu, eine reiche Biodiversität schützen. Zahlreiche Spezies von Flora und Fauna wie Onça Pintada oder auf Spanisch Yaguareté, also der Panther oder Jaguar, der Puma, aber auch verschiedene Arten von Jacarés, von Alligatoren konnten so vor der Ausrottung geschützt werden, bis jetzt. Eine lobenswerte, vorausschauende Idee. Den Preis dafür bezahlen aber die hier ursprünglich ansässigen Guaranì Indianer, denen dadurch ihre Lebensgrundlage entzogen wurde. Sie leben ganz in der Nähe unseres Hotels in einem Dorf namens Yryapu, was bedeutet: Klang des Wasserfalls. Mit dem auf den Boden gelegten Ohr konnten diese Ureinwohner den Klang des Wasserfalls in der Erde wahrnehmen und wussten so, wo sie waren oder wieviel Wasser den Fluss herunterkam. Heute bleibt ihnen zu versuchen, ihre Familien mit dem Verkauf von Kunsthandwerk über Wasser zu halten.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf die Socken. Vom Eingang zum Parque nacional, wo uns der Taxifahrer hinbrachte, wählten wir zuerst einen Fussweg, der uns quer durch den Regenwald, oder das was von ihm übrigblieb, führte.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten. Warntafeln weisen aber auf die Gefahren hin, welchen wir auf diesen Wegen hier in der Wildnis begegnen könnten. Beinahe haben wir bereut, wurden Jaguar, Krokodil und dergleichen nicht ausgerottet. In den Faltprospekten wird darauf hingewiesen, wie man sich im Falle einer solchen Begegnung verhalten sollte.
Der Blick in die Landschaft überzeugte einem sofort, dass hier hinter jeder Staude ein gefährliches Tier lauern könnte.
Wagemutig schritten wir unseres Weges und begegneten immerhin ein paar Schmetterlingen. Ohne attackiert oder gar gefressen worden zu sein erreichten wir die Bahnstation, von wo aus wir mit dem Züglein näher zu den Wasserfällen gebracht wurden.
Über Stege ging es dann wieder zu Fuss weiter zu den eigentlichen Wasserfällen. Einige Blicke links und rechts gaben uns immer wieder Einblick in die Vielfalt der Natur.
Wenn man so über das ruhig dahinfliessende Wasser des Rio Iguaçu wandelt, kann man sich nicht vorstellen, was einem in Kürze erwartet.
Wenn man näher kommt, beginnt es laut zu werden, zu gurgeln und zu stieben.
Das Tosen wird ohrenbetäubend. Es öffnet sich der Schlund, dann dies…
von überall her stürzen gewaltige Wassermassen in die Tiefe. Wasser, von dem man eigentlich kaum erahnen kann, woher es kommt.
Lange standen wir da ehrfürchtig am Abgrund und liessen dieses Schauspiel auf uns einwirken. Innerlich waren wir beinahe so aufgewühlt, wie das unter uns brodelnde Wasser.
Den Rückweg machten wir nicht mit der Bahn. Nein, es gab die Möglichkeit mit einem kleinen Gummiboot auf dem oberen Teil des Flusses zum Ausgangspunkt zurück zu kehren. Da wir schon lange nicht mehr auf dem Wasser waren oder in einem Boot gesessen hatten, war das unserer Gelegenheit, von der wir profitieren wollten. Irgendwie war es ein seltsames Gefühl mit lediglich zwei Rudern oberhalb der Wasserfälle unterwegs zu sein.
Ganz sachte glitten wir auf diesem stillen Wasser dahin. Nach dem mächtigen Brausen genossen wir die Ruhe und freuten uns die Natur zu beobachten.
Am Ziel angekommen ging es aber gleich weiter. Wir hatten noch lange nicht alle Wasserfälle gesehen. Immerhin wird ja deren Anzahl mit 275 angegeben. Wir hatten also noch Programm, das wir zu Fuss zu absolvieren hatten. Überall Wasser, überall das Tosen, das Stieben, der Blick in die Tiefe.
Da durften wir doch wirklich müde und erholungsbedürftig werden.
Noch stundenlang hätten wir von Wasserfall zu Wasserfall wandern, rauf und runter, Informationstafeln studieren und das mystische Ambiente geniessen können. Wir freuten uns aber auch auf den folgenden Tag, an dem wir den Fluss überqueren und die Fälle von der brasilianischen Seite bewundern wollten.
Mit dem Taxi ging es über die Brücke des Rio Iguaçu, dort wo er in den Rio Paranà mündet, von wo wir noch einen Blick von Paraguay erhaschen konnten. Dann kam die Grenze. Wir mussten lachen, hatten wir doch tatsächlich keinen Ausreisestempel von Brasilien in unseren Pässen. Stundenlang, ja tagelang sind wir doch in Angra dos Reis von Büro zu Büro gewandert, um auszuklarieren. De facto war das dann aber gleichwohl nirgends vermerkt. In keinem der vielen Computer waren wir gespeichert. Wenn die so viel Ahnung haben von diesen Maschinen wie wir, kaum verwunderlich. Nach mehreren Telefonaten der Beamten und Beteuerungen unsererseits liessen uns die Zöllner einreisen. Wir waren jetzt zweimal in Brasilien. Macht nichts, es ist ja so schön hier in diesem Land. Das Hotel auf der brasilianischen Seite war gut gelegen beim Eingang zum Nationalpark. Es empfing uns mit Blumen.
Schon am nächsten Morgen ging es dann mit dem Bus vom Parkeingang zu den Fällen.
Auch hier war der Anblick natürlich bezaubernd. Auf dieser Seite ist man eher unten und blickt nach oben. Dabei riskiert man auch schön nass zu werden. Aber das sind wir uns ja gewohnt.
Die etwas unscharfe Foto zeigt einen Blick hinter eine Wasserwand. Hier verstecken sich Schwalben vor ihren Feinden. Unglaublich! Diese Vögel fliegen blitzschnell einfach durch die Wasserwand hindurch und hängen sich dahinter an die Felswand. Drollig und possierlich sind aber auch die Coatís, die Nasenbären, denen man überall begegnet.
Diese können, ständig auf der Suche nach Fressbarem, aber auch schon mal ganz schön frech werden. Angelehnt an dieses Geländer, spürte ich plötzlich, wie sich dieser Frechdachs an meinem Rucksack zu schaffen machte. Dabei scheinen sie auch nicht nur niedlich zu sein, sondern können ganz schön zur Sache zu gehen, wie auf den vielen Hinweistafeln zu sehen.
Wir beschlossen diesen Tag im Parque das Aves, dem von Dennis Croukamp 1994 gegründeten Vogelpark, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, vom Aussterben bedrohte Vögel und Pflanzen zu retten. Eindrücklich, was in diesen 16ha Regenwald geschaffen wurde. Nur zwei Jahre später verstarb der Visionär Croukamp, ein grossartiges Vermächtnis hinterlassend.
Vom Scharlach-Ibis ( o.l.) habe ich schon berichtet, als wir ihn vorbeifliegen sahen, als wir in der Bahia dos Santos ankerten. So ein Glück, ihn noch in der freien Natur gesehen zu haben. Der Alagoa curassow (mitu mitu, brasilianisches Baumhuhn), etwas Pfauen-ähnliches (u.l.) gilt in der freien Wildbahn seit 1970 als ausgestorben. 2015 erhielt der Park 10 Paare und hatten damit bereits 22 Küken. Das entspricht einer Steigerung der Weltbevölkerung um 10%.
Am folgenden Tag verliessen uns Rita und Dani. Sie kehren nach Piriàpolis zurück. Sie wollen dort noch ihre Maramalda geniessen. Sie kümmern sich aber auch noch um unsere KAMA*. Wir sind so froh, denn erstens sind noch einige organisatorische Dinge zu erledigen und zweitens beginnt jetzt die Zeit der Pamperos. Wenn man bedenkt, wie die Schiffe im Hafen aufgebockt werden ist man dankbar, wenn man weiss, dass ein Fachmann wie Dani kontrolliert. Also nochmals herzlichen Dank für Eure Bemühungen!
Margrit und ich hatten das Privileg, noch etwas länger in dieser prachtvollen Weltecke verweilen zu können. Es war überhaupt nicht schwierig diese Zeit bis zu unserem Rückflug in die Schweiz auszufüllen. Mit dem Bus fuhren wir zu einer Haltestelle, die Poço preto (schwarzer Brunnen) heisst. Hier wechselten wir auf Fahrräder, mit denen wir einem Trail entlang durch den Urwald fahren konnten. Dieser 9 km lange Weg führte zu einem Vogelbeobachtungsposten und dann zum Rio Iguaçu.
Weiher, wo sich in absoluter Stille und Abgeschiedenheit wunderbar Vögel beobachten lassen.
Von hier ging es an den Fluss, wo wir auf das Boot umstiegen. Zum Glück war der Fluss nicht überall so ruppig, denn auf uns warteten noch die Kanus. Ich verzichtete darauf, den Fotoapparat auf diese wackeligen Dinger mitzunehmen. Ich musste mich schon genug darauf konzentrieren, nicht abgetrieben zu werden, nicht weit von hier wird man die Fälle hinuntergespült. So alleine im Boot lässt einem dieses Wissen schon etwas nervös auf der Bank hin und her rutschen, was wiederum dazu führt, dass das Kanu kippelig wird. Jedenfalls war ich froh, rechtzeitig und einigermassen trocken aussteigen zu können.
Schön war der Abend hier am Fluss allemal!
Und weil wir so nah dran waren, besuchten wir nochmals die Wasserfälle, die von der untergehenden Sonne goldig beleuchtet wurden. Und wieder standen wir staunend und ehrfurchtsvoll vor diesem Naturwunder und liessen diese spezielle Stimmung auf uns einwirken.
Dann besuchten wir auch noch einmal den Parque das Aves. Es gibt dort nicht nur Vögel zu bestaunen.
Hier um diesen schön angerichteten Tisch versammeln sich die Schmetterlinge. Wer kann schon einer solchen Festtafel widerstehen?
Auch für die schwierig zu fotografierenden Kolibris wurde angerichtet, während sich die frei lebenden Capivaras ihre Nahrung selber suchen müssen.
Die meisten Vögel, insbesondere auch die Papageien besucht man in ihren sehr grosszügig bemessenen Volieren. Man steht mit ihnen auf Du und Du, begegnet ihnen auf Augenhöhe.
Diese Aras konnten nicht warten, bis das Essen verteilt wird.
Zwischendurch erholt man sich vom Gekreische in einer stillen Ecke und geniesst die Blumen, die deutlich weniger lärmintensiv daherkommen.
Man staunt ob der Vielfalt und Schönheit dieser Tiere und Pflanzen.
Unten ein besonders schönes Exemplar, scheint den gleichen Coiffeur zu haben wie ich 😉
Die Familie der Tukane, eine Spechtart, umfasst 45 Arten. Sie sind reine Baumbewohner und besiedeln die tropischen und subtropischen Regenwälder von Mittel- und Südamerika. Sie ernähren sich vorwiegend von Früchten, verschmähen aber kleine Insekten oder gar Säugetiere nicht. Ihr auffälligstes Merkmal ist ihr riesiger Schnabel. Wenn man sie fliegen sieht, hat man den Eindruck, sie müssten über die Nase abstürzen. Ihr prächtig gefärbter Schnabel ist aber ganz leicht gebaut und dient auch der Kontrolle des Wärmehaushalts. Der charakteristische Ruf ist über weite Distanzen zu vernehmen. Wir erinnern uns, wie unser einheimischer Führer im Amazonas, uns darauf aufmerksam gemacht hat, gesehen haben wir diesen Vogel aber nur selten. Und warum ist er in diesem Park? Richtig, weil er vom Aussterben bedroht ist.
Schön, dass es diesen Park gibt. Schade, dass es ihn braucht. Und dann ging uns durch den Kopf, dass es ganz in der Nähe unseres Wohnortes einen ganz kleinen Regenwald gibt, der den gleichen Zweck verfolgt: Schutz und Aufklärung über dieses wunderbare Habitat. Hier im Papillorama finden vor allem Schmetterlinge günstige Lebensbedingungen, die ihren Fortbestand sichern sollen. Klein, aber fein. Ein Besuch ist immer lohnend.
Die Gedanken an unsere Heimat drängten sich immer mehr in den Vordergrund. Unser Abflugtermin und damit der endgültige Abschied von Brasilien rückten immer näher. Wie ein Abschiedsgeschenk gestaltete sich der Flug nach Norden entlang der brasilianischen Küste. Wir erspähten die vielen Buchten und Inseln, die wir in den letzten Monaten besucht haben. Traumhaft, ein Traum, aus dem wir erst bei der Landung in Europa erwachten.
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