Von Cape Melville nach Potter Cove
Da sind wir also angekommen und rundeten Cap Melville. Unser anfänglicher Plan, um dieses Kap in die Bransfield Strait hinein zu segeln, ging also perfekt auf. Als wir in den Falklands los segelten wussten wir nicht, wie weit uns die Westwinddrift nach Osten versetzen würde. Unser Plan B hätte darin bestanden Elephant Island anzulaufen, wo auch ein paar interessante Ecken zu entdecken sind. Aber unsere ursprüngliche Idee bei Penguin Island Halt zu machen verhielt auch nicht, da es noch mitten in der Nacht war, als wir an dieser Insel vorbeisegelten. Gut, mitten in der Nacht ist in diesen Breiten relativ. Aber so richtig Lust, hier morgens um zwei anzulegen, hatte niemand von uns.
So setzten wir unseren Kurs fort Richtung Westen, um direkt nach Half Moon Island zu gelangen. Bei vorerst eher garstigem Wetter, mit zunehmender Tageslänge aber einigermassen Sonnenschein, segelten wir entspannt entlang der Südküste von King George Island. Die Insel weist bei einer Breite von knapp 30 km eine Länge von 80 km auf. Sie ist auch im Sommer mehr als zu 90% von Eis bedeckt. An der Südseite ist sie stark zerklüftet, weist also zahlreiche Buchten auf, die zum Anlanden geeignet sind. Schön die Gletscher und Berge im frühen Licht des Morgens. Eisberge unterschiedlichen Kalibers schwammen uns im Weg. Einige waren von Pinguinen bevölkert, die vor schierem Staunen, ein Schweizer Segelschiff vor sich zu sehen, beinahe von der Scholle kullerten.
Unsere Fotokamera, die unablässig Eisberge ablichten musste, ist darob beinahe eingefroren. Die bizarren Formen, die unterschiedlichen Blau, das blendende Weiss, die Wellen, die daran zerschlagen und das alles von ganz nahe, wir waren einfach fasziniert.
Auf unserem Weg nach Half Moon Island waren wir schon fast am Ende der Königsinsel, als wir im Funk die Stimme von Peter von der Pagan hörten, der in der Carlini-Station um Erlaubnis nachfragte anlegen zu dürfen. Sein Motor sei defekt. Wir wussten, dass er mit seiner Maschine Probleme hatte, standen wir doch während der Überfahrt in Kontakt mit ihm, gab uns da aber zu verstehen, dass er alles regeln konnte. Offenbar war dem doch nicht so. Sofort änderten wir den Kurs und segelten in die Maxwell-Bay hinein. Das Wetter, der Wind, die Landschaft waren so herrlich und perfekt, dass wir vorerst einfach das Segeln vor dieser uns ungewohnten Kulisse genossen.
Wir entschieden bei der russischen Forschungsstation vor Anker zu gehen. Diese liegt in einer Nebenbucht der grossen Maxwell Bucht, der Ardley-Cove. Die 1968 von der damaligen Sowjetunion gegründete Station diente als Stützpunkt und Depot der sowjetischen Antarktis-Fischereiflotte. Benannt ist sie nach dem Entdecker des antarktischen Kontinents, dem Deutsch-Balten und russischen Marinekapitän Fabian Gottlieb Thaddeus von Bellinghausen (1772-1852). 2002 erbauten die Russen hier eine orthodoxe Kirche für ihre Gläubigen. Die Kirche wurde in Russland ohne ein Metallteil aus sibirischem Fichtenholz gebaut, wieder zerlegt und verschifft und am heutigen Standort aufgebaut. Sie wird eigens von einem russisch-orthodoxen Seelsorger betreut. Auch die Chilenen, ebenfalls mit eigener Kirche, und Uruguay unterhalten hier auf der Fildes-Halbinsel Forschungsstationen. Hier gibt es auch einen kleinen Flugplatz, der pro Saison etwa fünfzig Mal angeflogen wird. Das nutzen auch Gäste von Segelschiffen. Sie vermeiden so die lange und oftmals unangenehme, gar gefährliche Überfahrt durch die Drake-Strasse.
Mehrere Versuche hier vor Bellinghausen zu ankern scheiterten, so dass wir uns ebenfalls für die Potter Cove entschieden, wo Peter schon sicher vor Anker lag.
Aber da war nicht nur die Pagan
Die Bucht untersteht der ASPA, das heisst Antarctic Specially Protected Area, da hier verschiedene Vogel- und Säugetierarten und für die Verhältnisse eine reiche Vegetation vorhanden sind.
Unsere erste Ankernacht in der Antarktis stand bevor. Gerne hätten wir Peter mit Ersatzteilen ausgeholfen. Sein Motor, also derjenige von Pagan, scheint aber ein gröberes Problem zu haben, das sich nicht so auf die Schnelle lösen lässt. Wir wollten in der Nähe bleiben bis wir überzeugt waren, dass er einen Ausweg findet und seine Reise fortsetzen kann. Die Leute von der Carlini-Station kümmerten sich fast rührend um ihn, so dass wir nach einer ruhigen Nacht unsere Reise fortsetzen konnten.