ANTARKTIKA II

Von Potter Cove nach Deception Island

Am nächsten Morgen mussten wir unsere Reise nach Half Moon fortsetzen. Der Wind war zu Beginn so sanft, dass Katja und Stefan sogar unseren Code Zero, ein grosses Leichtwindsegel setzten, das wir für diese Gebiete ganz weit unten verstaut hatten.

entspanntes Segeln
vorbei an gefährlichen Klippen
und bei sich verschlechterndem Wetter

 

 

 

 

 

 

wieder begleitet
von den Walen

 

 

 

deren Schauspiel wir
immer gerne verfolgen

 

 

 

 

dann dick eingepackt
vorerst ohne Brille
schliesslich Skibrille

 

 

 

 

 

dann Sonnenbrille (Stefans)

 

 

 

 

 

 

am Schärme ist
Margrit das wärmende Strahlen nicht vergangen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Bucht von Half Moon mussten wir zweimal ansetzen bis der Anker hielt. Dick eingelullt in unsere Kleider arbeiteten wir an Deck unter einem weihnachtlichen Schneefall, der unser Schiff, die herumschwimmenden Eisklötze, die Bucht und die Pinguine mit einer flauschigen, wenn auch etwas kühlen Schicht überzog.

ob der Anker hält? Im Hintergrund die argentinische, aktuell unbesetzte Forschungsstation Teniente Càmara

Kurz: perfektes Fondue-Wetter! Mmh, hat das geschmeckt, zusammen mit dem selbst gebackenen Brot hätten wir uns nichts Besseres vorstellen können. Zufrieden rührten wir in der Pfanne und plauderten über Gott und die Welt. Sicher war auch die Chäsi von Lugnorre mit der Familie Reist ein Thema, unser Fonduelieferant, wenn wir zu Hause sind (Frau Reist weiss, 1/3 Geiss muss sein).

Die Pinguine auf dem Schneefeld stören sich nicht an diesem Wetter

Die Insel schuldet ihren Namen ihrer sichelförmigen, an den Mond erinnernden Form. In der nur nach Nordosten offenen Bucht liegt man gut geschützt, umso mehr, da Wind aus dieser Richtung selten ist. In dieser Nacht kam Wind auf und blies genau durch diese Öffnung in die Bucht hinein. Wie könnte es anders sein!  Dickes Schneegestöber liess im Mast oben die Windmessanlage einfrieren. Wir hatten also null Wind aus keiner Richtung. Diese Angaben stimmten wirklich nicht mit dem überein, was wir empfanden, wenn wir die Nase nach draussen steckten. In der Hoffnung einer Wetterbesserung warteten wir bis zum nächsten Mittag, mussten aber einsehen, dass das vergeblich war. Wind und Wellen ruckelten unangenehm am Anker. So verliessen wir diese schöne Bucht ohne je an Land gewesen zu sein und segelten, dank der eigenartigen Windrichtung vorwind, nur unter Fock, im stetigen auf und ab grosser Wellen, nach Deception Island, wo wir abends um neun eintrafen.

Die Fahrt war ruppig
Wir begegneten einem Kreuzfahrer. Gut zu wissen, nicht ganz alleine zu sein. Wir funken solche Schiffe gerne an. Bereitwillig übermitteln sie uns jeweils den neuesten Wetterbericht und freuen sich über einen Schwatz.

 

 

 

 

 

 

 

imposante Eisberge, links ein Forschungsschiff, die Gegend scheint wirklich bevölkert.

Die Insel, etwa 14 Kilometer lang und 12 Kilometer breit, wird von der Spitze eines aktiven, 750.000 Jahre alten Vulkans gebildet, dessen letzter Ausbruch 1970 stattfand. Das auch in der Bransfieldstrasse liegende Eiland besteht aus dem ringförmigen Rest einer Caldera mit einem Durchmesser von 10 Kilometer und gilt als einer der grössten Krater weltweit. Die Einfahrt zwischen den Felsen hindurch ist sehr eng, beträgt nicht einmal 200 Meter. Der Wind, getrieben von einem Düseneffekt, kann einem hier so richtig um die Ohren pfeifen. Weil zudem die geografische Form mit der inneren Bucht noch an einen Blasebalg erinnert, wird diese Einfahrt Neptuns Blasebalg genannt.

Petes Pillar, dahinter die Sewing Machine Needles und Livingstone Island

 

 

Hier am Petes Pillar vorbei geht es

hinein in den Port Foster. Mitten

in der Einfahrt liegt Raven’s Rock,

dessen Tiefe mit 2,5 Metern

angegeben wird.

 

 

 

 

Nach der Durchfahrt, gleich um die Ecke, in der Whalers Bucht liessen wir unseren Anker fallen. Ankern ist hier wegen der Tiefe nicht einfach. Der Grund gibt dem Anker auch keinen guten Halt. Zudem liegt am Boden viel Schrott, alte Murings, Leinen, Blöcke, Wracks, so dass man damit rechnen muss, dass sich der Anker unglücklich verhackt und man ihn nicht mehr frei bekommt. Hier erfuhren wir auch, wie unpräzise die Seekarten dieses Gebiets sind. Zum ersten Mal fuhren wir nämlich mit unserer KAMA* über Land, zum Glück nur auf dem Plotter. Aber wir wissen, dass wir die Augen offenhalten müssen, nicht nur wegen den Eisbergen. Nach feinem Nachtessen sanken wir zufrieden in unsere Kojen. So gut geschlafen haben wir schon lange nicht mehr. So still und ruhig sind wir wahrscheinlich selbst noch nie in einem Hafen gelegen. Lediglich das Eis, das zwischendurch von den Tüchern und dem Mast aufs Deck fiel, störte die absolute Ruhe. Kein Hauch, kein Plätschern, kein Schaukeln, das unsere Nachtruhe gestört hätte. Ob das daran lag, dass der Plotter unsere Position auf Land markierte?

An unserem Ankerplatz in der Whalers Bay werden wir
scharf beobachtet oder bewundert

 

 

 

 

 

 

Nebelschwaden, verursacht durch das 70°C heisse Wasser.

Heute stand der Besuch dieser Insel auf dem Programm. Deception Island ist vulkanisch und auch heute noch aktiv. Das sieht man an den Nebelschwaden, die über den Kratersee wabern. Sie werden durch das 70° heisse Wasser, das durch den Boden herausquillt, gebildet. Dieses Wasser, das den Boden angenehm aufheizt, ergiesst sich ins Meer, bildet an der Oberfläche eine dünne Schicht, so dass einige Leute auf die abstruse Idee kommen darin zu baden. Wir überliessen diesen Programmpunkt lieber den Gästen des nahe gelegenen Kreuzfahrtschiffs. Die ständige vulkanische Aktivität ist die Ursache dafür, dass die Insel nur wenig von Eis bedeckt ist. Manchmal wird sogar gekochter Krill ans Ufer gespült.

ungleiche Partner. Hinter dem Kreuzfahrtschiff erkennt man das Fenster von Neptun.

Margrit und Katja besuchten aber die Überreste der ehemaligen Walverarbeitungsfabrik und der ehemaligen britischen Antarktisüberwachungsbasis, die 1969 nach einer erneuten Eruption zerstört und schliesslich aufgegeben wurde. Zurückgeblieben sind zerfallende, rostige Blechhütten und ein Flugzeug.

Die verlassene Station, dahinter im Nebel der Mount Pond, mit 542 m der höchste Punkt der Insel

 

 

 

 

 

Um 1920 war die Whalers Bay Zentrum der Robbenjäger. Etwa einhundert Schiffe jagten diesen Tieren hinterher. Zu viele, bald waren die Bestände erschöpft und die Insel wurde wieder verlassen. Dann entdeckten die Walfabrikschiffe diese Bucht für sich. Sie verarbeiteten hier die Kolosse, konnten und wollten aber nur den Blubber, d.h. die äussere Hautschicht verwenden, um Tran herzustellen. Den Rest des Wals warfen sie über Bord. Alsbald schwammen Tausende von Kadavern in der Bucht, die vom Übelsten, wahrscheinlich bis zum Himmel stanken. Dieser Zustand war so unerträglich, dass die Briten der Betreibergesellschaft die Erlaubnis erteilten, auf der Insel eine Trankocherei zu erbauen, in welcher alle Teile des Wals verarbeitet werden konnten.  Kurz nach dem 2. Weltkrieg errichteten hier die Briten eine Forschungsstation. 1969, nach erneuten Eruptionen, wurden die Anlagen aufgegeben. Rostzerfressene Maschinen, Öfen und riesige Tanks sind als Relikte dieser Zeit erhalten geblieben.

Die Wasserboote, die Süsswasser zu den Walfabrikschiffen transportierten zum Betrieb der Dampfmaschinen und als Trinkwasser.
Weddelrobbe auf dem Strand, der aus reiner Vulkanasche besteht. Links erkennt man den Bug eines Wasserboots.

 

 

 

 

 

 

Auf dem Weg zu Neptuns Window. Dahinter die Ebene mit der Station der Hector Whaling Company. Alles Gestein ist vulkanisch.

Stefan drehte eine Jogging-Runde, die ihn ebenfalls zum Fenster von Neptun führte, einer Art Pass, von welchem man durch den Kraterrand aufs Meer hinausblickt.

Blick durch das Fenster von Neptun hinaus aufs offene Meer

 

 

 

 

 

South Polar Skua oder Antarktikskua

 

 

 

 

 

 

Auf der Insel gibt es kaum Vegetation. Es wachsen lediglich ein paar Algen, Flechten und Moose, die den Felsen je nach Art eine unterschiedliche Farbe verleihen. Das geht über gelb, grün, rot bis zum braun, für unser Empfinden aber eigentlich unwesentlich in dieser düsteren Umgebung. Trotzdem, an Land achtet man peinlich genau darauf, diese primitiven Lebensformen zu schützen, also möglichst auch nicht darauf zu treten. Jeder gesetzte Schaden braucht sehr, sehr lange bis er wieder repariert ist.

Chinstrap Penguins oder Zügelpinguine. Sie sind schlanker und kleiner als die Gentoo oder Adélie Pinguine. Sie gelten als kleine Bergsteiger, sind langsame Schwimmer und schlechte Taucher, bevorzugen deshalb felsige, eisfreie Hänge, an welchen sie bis einhundert Meter über den Wasserspiegel empor kraxeln. Nicht verwunderlich also, sie in dieser praktisch eisfreien Zone zu treffen. Und der Krill wird ihnen hier pfannenfertig am Strand serviert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es war morgens um sieben, als wir am 20. Januar den Anker vom Grund heraufholten. Wir waren erleichtert, als wir ihn wieder an Deck hatten. Er hatte sich nirgends verhakt. Langsam fuhren wir in Richtung Collins Point. Hier sollte ein Leuchtfeuer sein. Wir haben es nie leuchten gesehen. Tagsüber spielte das auch keine Rolle. Für uns war hier der Punkt nach links abzuzweigen und die Bucht, die Caldera, getrieben von Neptuns Blasebalg, zu verlassen. Was wird uns dieser Tag bescheren, wo werden wir abends sein?

Collins Point mit dem nicht vorhandenen Leuchtfeuer.