DER FIORDO

Seno Iceberg

Unser nächster Abfahrtstermin musste gut geplant sein. Zwei grosse Herausforderungen standen bereit. Fünfzehn Meilen nördlich von Puerto Edén muss man sich durch eine weitere Engstelle, die Angostura Inglesa, durchquetschen und etwa drei Tage später den Golfo de Penas überqueren. Bei der Angostura, den Narrows, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Der Tidenstrom, bedingt durch Ebbe und Flut, die ihrerseits von der Mondphase abhängig sind und die Windverhältnisse. Summieren sich die ungünstigen Faktoren kann ein Strom gegen Süden von bis zu 9 Knoten resultieren. Unmöglich unter solchen Bedingungen mit KAMA* gegenan zu fahren. Am besten ist diese Wasserstrasse bei Slack zu befahren, also genau bei oder um den Wechsel der Strömungsrichtung. Es gilt also diesen Zeitpunkt herauszufinden und dann am Eingang zu sein, wenn der Strom beginnt in die richtige Richtung zu fliessen. Heute ist Neumond, also Zeit der Springtide, diejenige Zeit, in welcher die Wassermassen besonders heftig durch unsere Gestirne bewegt werden. Das Wetter aber war für die kommenden Tage als gutartig prognostiziert. Also ermittelten wir die günstigste Abfahrtszeit aus unseren Büchern, die sich auf das Hydrografische Amt beziehen. Über Funk informierten wir die Armada über unser Vorhaben. Sie bestätigten unsere Annahmen, informierten uns über die aktuelle Situation, verneinten weiteren Schiffsverkehr in der Angostura, gaben uns grünes Licht und wünschten uns eine gute Reise.

Es gilt Abschied zu nehmen…
…von Puerto Edén.

 

 

 

 

 

Wir verabschieden uns von der Armada, die hier am schönsten Ort wohnt
und fahren hinaus in den Paso del Indio

 

 

 

 

 

 

Zusammen mit der Black Forest und der St. Michel lösten wir die Leinen, um unsere Reise nach Norden fortzusetzen. Zurück blieb Dada Tux. Durch zahlreiche Inseln und Untiefen hindurch schoben wir uns hinaus in den Paso del Indio und folgten diesem nach Norden.

Das Wetter war gutmütiger, als es das Foto erahnen lässt.

Wie geplant erreichten wir Bajo Lookout mit seinem grünen Leuchtfeuer um den Mittag.

Hier beginnt der schmale, gewundene Pass, der zwischen Festland und Isla Wellington in den Canal Messier führt. Gespickt mit zahlreichen Untiefen und kleinen Inseln verlangte die Durchfahrt unsere volle Aufmerksamkeit, war insgesamt aber ungefährlich und für uns gut machbar.

 

 

 

 

 

Das Ende wird markiert durch die Islote Clío. Auf dieser Insel haben die lokalen Fischer eine Statue der Jungfrau Maria (la Virgencita) errichtet. In häufigen Wallfahrten wird sie von den Einheimischen inbrünstig verehrt, die damit ihre Dankbarkeit für die jeweils heilen Durchfahrten zum Ausdruck bringen.

Auch wir waren froh, heil durchgekommen zu sein und freuten uns jetzt umso mehr am auffrischenden Wind, der uns im Canal Messier fabelhaftes Segeln ermöglichte. Der Canal, benannt nach dem französischen Astronomen, führt hinauf in die Bahía Tarn, der Mündung in den Golfo de Penas.

Der Canal Messier ist erreicht, wir sind durch.

 

 

 

 

 

Black Forest
St. Michel

 

 

 

 

 

 

So eilig – das Log zeigte acht Knoten – hatten wir es aber gar nicht. Caleta Yvonne, an der Südspitze der Halbinsel Estación, gewährte uns für die Nacht hervorragenden Schutz und Gesprächsstoff. Yvonne und Dominique, danke, dass ihr immer so gut zu unserer Aisha schaut. So können wir die Reise auch richtig geniessen. Auch die beiden anderen Schiffe fanden in dieser Bucht Unterschlupf.

Der schöne Abend in der ruhigen Caleta Yvonne

Erst am nächsten Morgen trennen sich unsere Wege. Wir wagen einen Abstecher in den Seno Iceberg. Das ist ein fünfzehn Meilen langer Fjord. Ganz hinten schiebt sich eine Gletscherzunge der ewigen Eiskappe der Anden, Campo de Hielo oder Hielo Continental Sur, bis hinunter ins Meer. Es gibt hier in dieser Gegend nicht mehr so viele Gletscher, die bis zum Meer hinunterreichen. Auch hier funktioniert die Klimaerwärmung zu hundert Prozent. Frühmorgens gleiten wir zusammen mit der Black Forest aus der Bucht. Absolute Stille. Das Wasser wird nur bewegt durch unser Schiff und die uns begleitenden Delphine.

 

 

 

 

 

Links und rechts steil aufragende Felswände, das Wasser milchig trüb, richtige Gletschermilch, keine Eisberge und dann plötzlich um eine Huk, der Blick auf den Gletscher.

 

 

 

 

 

Wir fahren ganz nahe ran, näher als empfohlen und geniessen den Anblick. Alles war absolut ruhig, und so früh am Morgen erwarteten wir nicht, dass der Gletscher kalbert, was uns möglicherweise arg durchgeschüttelt hätte. Ehrlich, von der Antarktis und aus unseren Schweizer Bergen sind wir uns andere Bilder gewohnt. Schön war es aber allemal und die Fahrt durch diesen Fjord, durch diese Stille und Abgeschiedenheit meditativ, mystisch. Zusammen mit den uns immer noch begleitenden Delfinen drehen wir ein paar Runden in der Bucht, bevor wir uns wieder auf den langen, dreistündigen Weg zurück durch den Fiordo machen.

 

 

 

 

 

und schon geht es wieder hinaus durch den langen Fiordo Richtung Canal Messier

Gegen Abend erreichen wir wieder den Canal Messier. Etwas nördlich der Caleta Yvonne, auf der gegenüberliegenden Seite, findet sich auf der Isla Little Wellington die Caleta Point Lay.

Viel ruhiger kann ein…
…Meer nicht daliegen

 

 

 

 

 

Da hinten verbirgt sich die Einfahrt in die Caleta Point Lay.

Dort machen wir es uns für die Nacht gemütlich. Und, wer kommt denn da noch so spät daher? Die Saint Michel. Die machten offensichtlich vor der Caleta Lay einen lazy day. Recht haben die beiden. Nach einem gemeinsamen Apero plumpsen wir in unsere Kojen.

 

 

 

 

 

Vorsicht Keip!
Niemand wünscht sich dieses zähe Kraut in Schraube oder Ruder.

 

 

 

 

 

 

Nun hätten wir schnurstracks zur Bahía Tarn und dann hinaus in den Golfo de Penas fahren können. Ich wollte diese Etappe noch um einen Tag verzögern, damit sich der Schwell der letzten Tage noch etwas beruhigen kann.

Frühmorgens verlassen wir unseren Ankerplatz…
…und gelangen wieder….
…in den Canal Messier

 

 

 

 

 

 

So wählten wir noch einen kleinen Umweg. Etwas nördlich unserer letzten Ankerbucht folgten wir der Isla Orlebar gegen Nordosten, drehten aber vor dem Canal Baker wieder nach Norden, passierten die Islotes Origen und folgten im Canal Cronjé der Ostseite der Isla Zealous.

Hier bei der Isla Alert und Scylla drehen wir nach rechts ab…
…und gelangen in diesen Seitenkanal, der am Ende in den Canal Cronjé mündet.
Der Canal Cronjé, Blick gegen Norden.
Islotes Origen am Eingang zum Canal Cronjé…
…wo gegenüber am Kap Grupo Baker dieser tote Wal lag. Er dürfte eines natürlichen Todes gestorben sein. Katja macht Meldung an die Walbeobachter.

Der Kanal wird durch Untiefen und kleine Inseln zwar etwas eingeengt, lässt sich mit der notwendigen Vorsicht aber problemlos befahren. Unser Ziel, die Caleta Lamento del Indio (oder auch Ardevora oder Puerto Inti-Illimani) liegt versteckt hinter einer engen Einfahrt auf der Isla Zealous. Es braucht schon etwas Mut, diese enge, nur sieben Meter breite, links und rechts von Kelp durchsetzte Einfahrt zu nehmen.

Die enge Einfahrt, dahinter erkennt man den hochaufragenden Hügelzug.
Yupi! wir sind drinnen.

Gut, wie üblich hatten wir einen Plan B und hätten diesen, nämlich zum Puerto Francisco auf der anderen Seite des Canal Baker zu fahren, auch problemlos umsetzen können. Von der Beschreibung her hätte uns dieser ebenso sehr gluschtet. Wir wurden aber im Indio nicht enttäuscht. Steile, bis zu 700 m aufragende, dicht bewaldete Bergflanken boten uns eine atemberaubende Szenerie. Absolute Stille. Kaum ein Hauch, obwohl die steilen, hohen Berge wie geschaffen sind, um gefährliche Williwaws zu generieren. Ganz zuhinterst liessen wir den Anker fallen und brachten die Heckleinen aus.

Unser Ankerplatz, wo wir wieder eine absolut ruhige Nacht verbrachten.

Guet Nacht!