GANZ HEISS !

Ganz heiss!

Wieder geht es früh los! Es scheint, dass dieser 3. Januar ein sonniger Tag bleibt. Auf der N1 geht es von Marsden Cove Richtung Süden, an Auckland vorbei, um dann über die N2 nach Waihi zu gelangen.

Wir waren beileibe nicht die Ersten, die sich aufmachten den Süden zu erkunden. In der frühen Besiedlungsphase Neuseelands war es ein Rangatira der Hauraki, also der Stammesführer dieses Hapu, der sich in das Gebiet südlich der Coromandel-Halbinsel begab. Als er hier mit seiner taiaha, seinem Speer auf den Boden schlug, quoll Wasser hervor, eine Geschichte, wie wir sie auch aus anderen Überlieferungen kennen.

Er nannte diesen Ort wai für Wasser und hi hi für stark hervorströmen also Waihi-hi. Es war in den späten Siebzigerjahren des 19. Jh. als die Leute merkten, dass sich hier im Boden nicht nur Wasser befand, sondern auch pures Gold. Schnell entstand hier eine Hüttensiedlung, aus der sich bald die grösste Stadt südlich von Auckland entwickelte. In der Zeit des Goldrausches wuchs die Region heran zu einer der bedeutendsten Goldbergbaugebiete weltweit. Hier machten wir unseren ersten Stopp. Der Ort nennt sich heute nur noch Waihi und der Pukewa Hill, auf dem nach dem Gold gegraben wurde, nennt sich heute Martha Hill, dem Namen der Ehefrau eines der Minenbesitzer.

 

 

 

 

 

Die Mine erlangte 1912 unrühmliche Berühmtheit durch einen durch die Gewerkschaft organisierten Bergarbeiterstreik mit Ausschreitungen und sogar einem Todesopfer. Ein Ereignis, das bis heute ungute Erinnerungen weckt. Obwohl die Goldvorräte noch nicht erschöpft waren, wurde die Mine 1952 wegen des fallenden Goldpreises geschlossen. Bis dahin wurden hier über 174’000 Kilogramm Gold und 1,2 Millionen Kilogramm Silber geschürft. Die veralteten Anlagen konnten aber zum damaligen Goldpreis nicht mehr rentabel betrieben werden.

Das ehemalige Pumpenhaus. Eine Dampfmaschine betrieb in 400 m Tiefe…

 

 

 

 

 

…eine horizontale Pumpe mit 4 m Hub und entwässerte so die Grube mit einer Leistung von 7000 l / min

 

 

 

 

 

 

Neue Abbautechnologien und der steigende Preis für die Edelmetalle führten dazu, dass die Mine 1988 wiedereröffnet wurde. Entstanden ist ein gigantisches Erdloch, das nun in einen Freizeitpark umgewandelt werden soll, mit dem Martha Lake als Mittelpunkt.

 

Entlang der Bay of Plenty, der Bucht des Überflusses, setzen wir unsere Reise fort, gelangen über Katikati nach Tauranga, das uns vor allem durch seine verstopften Strassen beeindruckte. Also fahren wir weiter. Wir passieren die ländliche Siedlung Te Puke, die «Kiwifruit Capital of the world», wo auf ausgedehnten Farmen die chinesische Stachelbeere angepflanzt wird.  Gegen Abend erreichen wir Rotorua, unser heutiges Tagesziel. Schon von weitem sticht uns ein miefiger, nach faulen Eiern riechender Gestank in die Nasen. Es dauert einen Moment, bis wir realisieren, dass dieser von Schwefeldämpfen stammende Geruch als Ausdruck der geothermischen Aktivität hier allgegenwärtig ist.

Downtown Rotorua mit dem Gemeindehaus

Die Stadt Rotorua wurde bei ihrer Gründung nach dem gleichnamigen See benannt, welcher als zweiter See von einem Urahn der Te Arawa, eines Maoristammes entdeckt wurde. In der Sprache der Maori bedeutet Roto See und rua zwei (Lake Roto-iti war der erste). Heute zählt die Ortschaft über 75’000 Einwohner, davon ~40% Maoris, welche sich die Gegend schon früh als warmes Nest auserkoren haben. An der Maorikultur kommt man hier nicht vorbei. Wir schlenderten nach dem Bezug unseres Hotels die Fenton-Street hinab zum See nach Ohinemutu, einer Maori-Siedlung. Man ist fast ein wenig irritiert, überall blubbert und sprudelt es aus dem Boden und stinkige Dampfschwaden liebkosen verschmust unsere Nasen und Wangen.

 

 

 

 

 

Wagt man einen Blick über die Gartenzäune verwundert man sich, wie die Leute zwanglosen mit diesen heissen Quellen umgehen. Mithilfe der Erdwärme wird hier gekocht, gewaschen, geheizt und gebadet, gratis. Überall wird einem das traditionelle Hangi angeboten, ein Essen komponiert mit viel Hühner-, Lamm- und Schweinefleisch, dazu Kumaras, die Süsskartoffeln und sonstigem Gemüse, alles zusammen über Stunden gegart in einem heissen Erdloch.

Das Juwel in diesem Quartier ist aber sicher die 1810 im Tudor-Stil erbaute Kirche.

Die Maoris, wie die meisten Naturvölker, taten sich schwer mit dem von den Missionaren verkündeten, einzig wahren Gott. Kompromisse waren unumgänglich. So findet sich in und um das Gotteshaus ein bunter Mix von christlichen als auch Maori Symbolen, die gar vermischt wurden. So trifft man auf Darstellung unseres Religionsstifters, der mit dem Umhang eines Maorihäuptlings über den See Genezareth wandelt. Gepredigt wird in beiden Sprachen.

Jungfrau auf Maoristele
In Maori and English

 

 

 

 

 

 

Eine weitere Besonderheit entdeckt man beim Blick über den Friedhof. Die Verstorbenen werden hier nicht beerdigt, sondern kommen oberirdisch in einem Steingrab zum Liegen. Tiefer unten in der Erde brodelt es heiss, das würde einem dann schon zu fest an Fegefeuer oder gar Hölle erinnern…

Friedhof der Maori…
…und der Christen

 

 

 

 

 

 

Vom Ufer des Sees hat man einen schönen Blick auf die Insel Mokoia, ein Vulkankegel inmitten dieses Kratersees. Diese Insel ist den Te Arawa Maori heilig.

 

 

 

 

 

Um dieses Eiland rankt sich eine Liebesgeschichte, ähnlich wie wir sie mit Hero und Leander aus der griechischen Mythologie kennen, nur mit besserem Ausgang. Der auf der Insel lebende Tutanekai war der Möchtegernfreier von Hinemoa, der Tochter des Häuptlings eines am Ufer lebenden Stammes. Sie kannten sich von Stammestreffen, mussten ihre Liebe aber verbergen. Hinemoa war bereit nachts im Kanu zu Tutanekai hinauszurudern. Um die Insel im Dunkeln zu finden, spielte der Liebhaber auf seiner Flöte. Die Boote wurden aber abends immer so weit aufs Land gezogen, dass es Hinemoa nicht möglich war, eines ins Wasser zu lassen. Nach langer Zeit entschloss sie sich zu schwimmen. Mit Hilfe ausgehöhlter Kürbisflaschen, die sie sich an den Körper gebunden hatte, erreichte sie, den sanften Flötenklängen folgend, ihr Ziel. Glückliches Ende, ihre Nachkommen leben heute in Rotorua. Ganz anders Leander, der beim Durchqueren des Hellespont im Sturm sein Leben verlor und beim Turm, auf welchem Hero mit einer, im Wintersturm soeben ausgeblasenen Fackel wartete, um den Weg zu weisen, tot angeschwemmt wurde. Eine Geschichte, die in Literatur und Kunst exzessiv ausgeschlachtet wurde. Nur ein Stück möchte ich hier erwähnen, die von Friedrich Schiller 1801 verfasste Ballade Hero und Leander, in welcher die Geschichte in eindrücklicher Art und Weise erzählt wird. Auch in Neuseeland gibt es eine Bearbeitung der Liebesgeschichte von Mokoia. Als maorisches Liebeslied «Pokarekare Ana» hat es – auch in englischer Version – grosse Berühmtheit und Popularität erlangt und gilt heute als Neuseelands inoffizielle Landeshymne.

Antikes Kanu. Unmöglich für Hinemoa ein solches Boot heimlich zu wassern. Im Hintergrund wieder Mokoia.

Langsam meldete sich Hunger. Ein Hangi war keine Option. Es gibt aber zahlreiche Verpflegungsmöglichkeiten, gar eine eigentliche Eat-Street, die voll belebt war, so sehr, dass wir es vorzogen, ein ruhigeres Lokal um die Ecke aufzusuchen. Wir kamen alle auf unsere Rechnung und wohlgesättigt ging es die Fenton-Street zurück zu unserem Hotel, wo wir nach anstrengendem Tag in unsere Betten sanken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der nächste Tag führte uns in die ganz heissen Gebiete dieser Gegend. Das Gebiet um Rotorua ist unruhige Vulkanlandschaft, geothermisch aktive Zone. Die Taupo Vulkanzone, in der wir uns hier befinden, ist eine der aktivsten Vulkanzonen weltweit. Diese Verwerfungszone beginnt bei der Insel White Island mit dem Whakaari Vulkan in der Bay of Plenty und erstreckt sich in Form eines 30 – 80 km breiten Streifens in südwestlicher Richtung bis in die 250 km entlegene Gegend des Vulkans Ruapehu. Kurz vor unserer Ankunft in Neuseeland kamen bei einem Ausbruch des Vulkans auf White Island 21 Menschen ums Leben, also eine durchaus ernst zu nehmende Sache. Jährlich wird das Land von 14’000 Erdbeben erschüttert. Hier in dieser aktiven Zone bauten die Neuseeländer geothermische Kraftwerke. Zwei von ihnen sind so ausgiebig, dass sie 5 % des Energiebedarfs Neuseelands abzudecken vermögen. Vor zig Millionen Jahre ist Neuseeland buchstäblich aus dem Meer aufgetaucht. Das findet sich auch in der Maori Legende, gemäss welcher Maui, ein Halbgott, beim Fischen mit seinen Brüdern die Nordinsel an die Angel ging.  Als Haken diente ihm der mit Nasenblut beschmierte Kieferknochen eines Vorfahren. Von ganz weit unten holten sie diesen vermeintlichen Fisch an die Oberfläche. Die Brüder begannen sofort, sich Teile dieses Fisches abzuschneiden, heute sichtbar als Täler, Seen, Berge und Küsten sichtbar. Bis heute ist die Nordinsel den Maori als Te Ika a Maui – Mauis Fisch – bekannt. Und tatsächlich, betrachtet man die Insel von oben, erahnt man einen Fisch mit dem Kopf in Wellington, Schwanz im Norden, Bauch- und Rückenflosse als Taranaki bzw Eastcape.

Der Fisch, Te Ika a Maui. Inmitten das Herz, der Lake Taupo.

In einem dieser Täler, dem Waimangu Volcanic Valley, wir wissen nicht, welcher der Brüder es geschnitzt hat, begaben wir uns mutig auf eine Wanderung. Durch eine geheimnisvolle Landschaft von üppig grüner Vegetation, die mit grellen Farbtupfern von schwefelgelben Ablagerungen durchsetzt ist, wanderten wir vorbei an stahlblauen, von Dampfschwaden umhüllten Seen, entlang heiss sprudelnder Bäche, über Sinterterrassen bis hinunter zum Ufer des Rotomahana-Sees. Von dort brachte uns ein Bus zu unserem Auto zurück.

Waimangu Volcanic Rift Valley
Südkrater mit an die Temperatur angepassten Algenteppich
Echo Crater mit Frying Pan Lake

 

 

 

 

 

Waimangu River

 

 

 

 

 

Inferno Crater Lake, füllt und leert sich im Rhythmus von 38 Tagen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Warbrick Sinterterrassen

 

 

 

 

 

 

Landschaft voller Energie

 

 

 

 

 

Kurz vor der Mündung hat sich der Fluss abgekühlt.

Der Rotomahana See. Im Hintergrund der Mount Tarawera, der 1886 mit seiner Eruption diese Landschaft geschaffen hat.

Wir hatten die Nase noch nicht genug voll von all den vielen stinkigen Schwefeldämpfen und nahmen uns deshalb noch das Wai-O-Tapu Thermal Wonderland vor, in welchem es nicht minder zischt, brodelt und dampft. Ein Geysir, der vermutlich wegen der vielen geothermischen Kraftwerke den Geist aufgegeben hat, wird hier künstlich am Leben erhalten und einmal pro Tag mittels Seifenpulver scharf gemacht, damit das heisse Wasser für einen Moment in die Höhe spritzt. Dieses Spektakel haben wir verpasst, nicht weiter schlimm, denn wir hatten noch genug zu sehen. Unser Rundgang führte vorbei an spuckenden und blubbernden Kratern, die alle versehen sind mit an den Teufel erinnernden Namen. Man hat hier sowieso das Gefühl, man trample dem Herrscher der feurigen Unterwelt übers Dach. Eigentlich erstaunlich, heisst doch Wai-O-Tapu heiliges Wasser.

Die Falle

 

 

 

 

 

 

Prickelnd erscheint der Champagner Pool, ein Teich von sechzig Metern Durchmesser, in welchem Blasen aufsteigen, die einem durchaus an ein Cüpli erinnern.

 

 

 

 

 

Nein, nach Champagner riecht es nicht!

 

 

 

 

 

 

Artist’s Palette erinnert an das ständig sich wechselnde, intensive Farbenspiel, wie auf der Palette des Kunstmalers.

Artist’s Palette

Papa wera bezeichnet die heisse Fläche, wo sich verschiedene Schlammlöcher befinden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Roto Karikitea ist der grüne See. Dieser weist einen Säuregehalt auf (pH 2), der durchaus demjenigen unserer Magensäure entspricht.

Man könnte sich lange aufhalten in diesem Gebiet, das durchsetzt ist von zahlreichen heissen Quellen, Fumarolen, kollabierten Kratern, farbigen Tümpeln und gluckernden Schlammtümpeln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was wir sonst noch lernten. Die Blätter des Silberfarns, daher der Name, weisen an ihrer Unterfläche einen hell schimmernden Belag auf. Das nützten die Ureinwohner, um ihre Wege zu markieren. So fanden sie sich im nächtlichen Dschungel besser zurecht.

 

 

 

 

 

Was die sogenannt primitiven Völker nicht benötigten, waren Benimmregeln. Diese scheinen sich erst in der Moderne aufzudrängen. Na, ja.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am folgenden Tag, wir übernachteten wieder im gleichen Hotel, folgten wir der Strasse Richtung Süden. Dies führte uns zunächst zum Lake Taupo, dem grössten See Neuseelands, dann durch den Tongaria Nationalpark.

Von weitem sahen wir die schneebedeckten Vulkane, die das südliche Ende der Taupo Verwerfungszone markieren. Der höchste unter ihnen, der Ruapehu, ist mit seinen 2’800 m zugleich auch der höchste Berg der Nordinsel. Der Mount Ngauruhoe ist in der Filmtrilogie Herr der „Ringe der Schicksalsberg“ von Mordor, in den der Hobbit Frodo den Ring wirft. Der Tongaria ist der Namensgeber dieses ältesten Nationalparks Neuseelands.

Mount Ruapehu, angeblich eines der schönsten Skigebiete Neuseelands
Mount Ngauruhoe
Die Tongariro-Kette

Wir wollten weder Skifahren noch Ringe werfen, wir wollten die Gentle Annie Street fahren, die etwas südlicher, in Waiouru von der N1 abzweigt. Diese Route liegt abseits der ausgetretenen Pfade und führt vom Central Volcanic Plateau über das Central Plateau zur Hawke’s Bay an der Ostküste. Gentle Annie ist ein typisch neuseeländischer bzw australischer Ausdruck und bezeichnet einen steil ansteigenden Weg ohne Rastmöglichkeit. Woher diese Redensart stammt, ist nicht klar, lässt sich möglicherweise auf die keltische Göttin Anann oder schlicht auf den Song «Gentle Annie» von Stephen Foster, dem Vater der amerikanischen Musik, zurückführen. Wir liessen uns von dieser Unsicherheit nicht abhalten. Wagemutig nahmen wir nach Turangarere mit gut gefülltem Tank die Abzweigung. Die schmale Strasse führte uns in engen Windungen hinauf auf das mit schroffen Tälern durchfurchte Hochplateau.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Manuka in voller Blüte. Daraus wird ein edler und entsprechend teurer Honig gewonnen.

Hier in den Kaimanawa Mountains entspringen viele Flüsse, auch der Rangitikei, einer der längsten Neuseelands. Diese Flüsse haben und hatten für die Maori eine grosse Bedeutung als Transportwege, sind aber auch kulturell, spirituell und traditionell für den hier ansässigen Stamm der Rangitane o Manawuta von grosser Wichtigkeit. Viele ihrer Siedlungsgebiete befinden sich noch heute entlang dieser Flüsse.

Auf unserem Weg erreichen wir nach vierzig Kilometern den Rangitikei River. Hier wurde 1925 die Erehwon Hängebrücke eingeweiht. Ihr Name wurde später in Springvale Suspension Bridge umgeändert. Tatsächlich erscheint mir die angestammte Bezeichnung logischer, die rückwärts gelesen Nowhere ergibt, Nirgendwo.

 

 

 

 

 

Parallel dazu die neue Brücke, auch nicht…
…übermässig Vertrauen erweckend.

 

 

 

 

 

 

Die Region gilt auch als Wiege der Schafzucht. 1867 wurden die ersten Schafe zur Erehwon Station gebracht, etwas später nach Moawhango und Kuripapango. Diese Farmen waren der Grund, dass sich hier eine Strasse entwickelte. Die Wolle musste nach Napier gebracht werden, anfänglich mittels Ochsenkarren, später mit Pferden. Das musste damals ein äusserst mühsames Unterfangen gewesen sein. Noch heute verspürt man in diesen schier unendlichen Weiten diesen Pioniergeist.

Schafverladestation

 

 

 

 

 

 

Dank der Strasse lässt sich dieses einsame Gebiet heutzutage relativ ring und bequem durchstreifen. Sie ist fast vollständig geteert, Verkehr null.

Die teils gut ausgebaute Strasse.

 

 

 

 

 

 

Neben der Schafzucht findet sich noch ein weiterer Wirtschaftszweig, die Waldwirtschaft. Riesige Landflächen werden mit der schnell wachsenden Tannenart bepflanzt. Ganze Hügelzüge sind mit diesen in Reih’ und Glied stehenden Bäumen bewachsen. Nach etwa 25 Jahren, also ziemlich nach genau nach einer Menschengeneration wird geerntet. Die Stämme finden Verwendung als Nutzholz, werden heute auch verschifft und exportiert, wie wir das in Marsden Cove sehen. Das Holz aus diesem Gebiet auf dem Laster an die Küste zu fahren, scheint mir recht herausfordernd. Ich war schon zufrieden, dass wir nicht ständig solche Laster kreuzten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über Napier und die N5 kehrten wir wieder in unser Hotel in Rotorua zurück, wo wir gegen Abend eintrafen.

Die Sonne stand noch hoch, war trotzdem schon rot verfärbt. Fast hätte man geglaubt ein Vulkan sei ausgebrochen. Der Rauch stammte aber aus einer anderen Quelle. Starke Westwinde schickten uns einen Gruss von Australien und berichteten von den dort wütenden Waldbränden.

klar, es war auch bewölkt.

Bevor wir Rotorua am Dreikönigstag endgültig verliessen, wollten wir noch die Government Gardens mit ihren Bade- und Kurhäusern besuchen.

Der Ort ist ein heilige Waahi Tapu Stätte der Maoris. Hier befanden sich ein bedeutendes Schlachtfeld und ein Maori-Friedhof.  In den 1860er Jahren war die hiesige Gegend einer der Schauplätze der Neuseelandkriege, einer Serie von Konflikten zwischen den Maori und Pakehas, den europäischen Siedlern, die von erfahrenen britischen Soldaten unterstützt wurden. Hintergrund war der Vertrag von Waitangi, der von der Kolonialregierung zunehmend unterlaufen wurde. Die Maoris wurden durch die Regierung in weiten Teilen ihres Landes enteignet, ein Fakt, der noch bis in die heutige Zeit spürbar ist.

Kriegsdenkmal, Boer War 1899-1902

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwanzig Jahre nach dem Krieg wurde Rotorua zu einem «special town district» erklärt. Man wollte damit Rotoruas Potential als Kurort privilegieren und – erstmals in Neuseeland – Tourismus fördern. Einerseits war da die heiss spuckende Umgebung, anderseits wurden die Thermalquellen als Gesundbrunnen entdeckt. Anfangs des letzten Jahrhunderts wurde das grosse Badehaus errichtet, in welchem medizinische Behandlungen und Kuren angeboten wurde.  

 

 

 

 

 

Das im Tudor-Fachwerk-Stil erbaute Bad wurde berühmt als Naturtherme des Südpazifiks. 1970 wurde das Bad geschlossen und das Gebäude in ein Kunstmuseum umgewandelt. Gebadet wurde fortan im Polynesian Spa. Auch das Museum wurde vor vier Jahren wieder geschlossen, da zu wenig erdbebensicher.

Aktuell nur Freiluftmuseum bis zur Wiedereröffnung des erdbebensicheren Badhauses

Immerhin, die geschleckten Rasenflächen vor dem Badhaus werden immer noch für das Bowling genutzt, einer Sportart hier in Neuseeland mehr einer Art Boccia und nicht unserem Kegeln entsprechend.

akribische Spielfeldvorbereitung fürs Bowling

Die Quelle, die früher das Badhaus, heute noch das Spa mit Thermalwasser speist heisst ursprünglich Whangapipiro, wobei Whanga in etwa Mündung heisst, pipiro für den neuseeländischen Stinkstrauch steht, der genauso wie diese Quelle nach verfaulten Eiern stinkt. Später wurde dieser Brunnen in Rachel Pool umgetauft, in Anlehnung an Madam Rachel, einer berühmt-berüchtigten Kosmetikerin, die das 100°C heisse Wasser als Jungbrunnen anpries, nicht zuletzt deshalb, weil das Silikat-haltige Quellwasser die Haut schön zart und weich werden lässt.

 

 

 

 

 

Wir erachteten eine solche Therapie für uns als völlig unangebracht und unnötig. Stattdessen machten wir uns mit jugendlichem Elan (zumindest Katja, Margrit und ich versuchten es 😉) auf die Weiterreise.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir werden würdevoll verabschiedet

Diesmal folgten wir der Strasse auf der Westseite des Lake Taupo. Um diesen See ranken sich verschiedene Sagen, wovon ein der schönsten besagt, dass es sich um das Herz von Te Ika, also der Nordinsel handelt. Mit seinem schwankenden Wasserstand, seiner Form und wirklich im Herzen der Insel gelegen, eine grossartige Parabel. Wir liessen diesen schönen See buchstäblich links liegen und fuhren nach Taumarunui. Dort beginnt der 150 km lange SH 43, der bekannt ist unter dem Namen Forgotten World Highway. Dieser folgt ehemaligen Maoripfaden durch ursprüngliches, heute meist aufgegebenes Siedlergebiet, das die Natur sich langsam wieder zurückholt. Schon kurz nach der Abzweigung wird es eng. Die Strasse quetscht sich hier zwischen Fluss und steilen, brüchigen Felswänden durch. Schon mehrmals musste hier die Strasse verlegt und neu gemacht werden.

 

 

 

 

 

In der Folge windet sich die immer enger werdende Fahrbahn durch düstere Täler und kurvenreich hinauf auf Hügel und Pässe. Die fast menschenleere Hügellandschaft entwickelt ihren eigenen Charme, Klaustrophobie erweckende Täler wechseln sich mit luftigen, lichten Höhenzügen, von welchen man unglaubliche Fernsichten geniesst. Bei gutem Wetter soll man die Vulkane des Tongariro und auf der anderen Seite den Taranaki sehen können.

 

 

 

 

 

In der Nähe der Brücke über den Tangarakau, in der gleichnamigen Schlucht, findet sich das Grab von Joshua Morgan, welcher die Strasse bauen wollte. Bei Vermessungsarbeiten wurde er von heftigen Bauchschmerzen heimgesucht, an denen er schliesslich verschied. Jegliche Hilfe kam in dieser abgelegenen, nur schwer zugänglichen Gegend zu spät.

Die Brücke in…
…uriger Wildnis

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Weg zu Morgans Grabstätte

 

 

 

 

Morgans Grab liegt versteckt im Busch. Er wurde begraben, wo er starb. Sechzig Jahre später wurde hier auch seine Witwe beigesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

Als wir uns dem Moki-Tunnel näherten glaubten wir im ersten Moment kaum, dass da ein Auto durchpasst. Heute wird dieser Tunnel auch Hobbit Hole genannt, in Anlehnung an die wundersamen Fantasiegeschichten, die nicht unweit von hier verfilmt wurden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir passten durch und über den Tahore-Sattel erreichten wir Whangamomona, nach fast 90 km wieder etwas Zivilisation.

Die Strasse hinauf zum Tahore-Saddle
Blick hinunter auf die stillgelegte Bahnlinie
Wir gelangen ins fruchtbare Tal von Whangamomona

Eine Handvoll Personen lebt hier in dieser Abgeschiedenheit. Sie haben sich zu kauzigen Typen entwickelt. Nach einer Verwaltungsreform der Regierung, der ihnen nicht in den Kram passte, haben sie 1989 kurzerhand die Unabhängigkeit ausgerufen und die Republic of Whangamomona gegründet. Pässe kann man im Hotel erwerben.

Sie berechtigen dazu, als Mitbürger beim alle zwei Jahre stattfindenden Republic Day, einem Volksfest, mitzufeiern. Als freiheitsliebende Schweizer haben wir Verständnis. Die paar wenigen Häuser haben durchaus ihren Charme und könnten eine perfekte Kulisse für einen Wildwestfilm abgeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ohne ein neues Bürgerrecht erworben zu haben verliessen wir das fruchtbare Tal, was Whangamomona übersetzt bedeutet. Langsam kamen wir ins Schwitzen. Unsere Tankanzeige vom Benzin stand schon seit mehreren Kilometern auf leer, und Stratford, die nächste Ortschaft liegt nicht gleich um die Ecke. Haben wir die Warnung am Anfang der Strasse zu wenig ernst genommen? Süferli fahrend erreichten wir wohl mit dem letzten Tropfen Benzin Stratford, wo es – uf – eine Tankstelle hat.

Erleichtert setzten wir unseren Weg, von jetzt an Richtung Norden, fort, gelangten so zur Küste der Nord Taranaki Bucht. Obwohl schon Abend wollten wir noch ein paar Kilometer anhängen. Die Gegend wurde immer einsamer und Übernachtungsmöglichkeiten fehlten. Wir mussten bis Mokau fahren, wo uns ein Motel noch schönen Unterschlupf gewährte. Kurz vor dieser Ortschaft überquert man den Mokau River, wo wir noch die drei Schwestern besuchen wollten, drei der Steilküste vorgelagerte Felsformationen, was aber wegen der Flut nicht möglich war. Dafür bekamen wir in Mokau beim Chinesen noch ein paar Frühlingsrollen kurz vor seinem Feierabend.

Hier um die Ecke befinden sich die drei Schwestern, bei diesem Wasserstand kein Durchkommen.
Blick vom Hotelzimmer mit hier Mokau River…
…und auf die Bucht mit den Schwestern. Der Mount Taranaki liegt im Dunst verborgen.

 

 

 

 

 

 

Letzter Tag von Katja in Neuseeland. Wir besuchen die Waitomo Caves, ein ausgedehntes Höhlensystem, das für seine Glowworms bekannt ist. Diese Glühwürmchen sind nicht vergleichbar mit den unsrigen. Es handelt sich hier um wurmförmige, durchsichtige, meist an der Decke hängende Mückenlarven, die einen klebrigen Speichel absondern, der in Fäden herunterhängt. Durch das bläuliche Licht, gebildet aus Luziferin, werden Insekten angelockt, die sich in Fäden verfangen. Die Larve schlürft dann diesen Faden wieder ein und gelangt so zu ihrer Mahlzeit.

Der Eingang…
…zum Höhlensystem

 

 

 

 

 

Eine Wendeltreppe führt gespenstig in die Tiefe hinab.

 

 

 

 

 

Die Speichelfäden der Glühwürmchen im Schein einer Taschenlampe.
Im Dunkeln erscheint die Höhlendecke wie ein Sternenhimmel.

 

 

 

 

 

Ganz in der Nähe gibt es noch das Otorohonga Kiwi House, ein non-profit Centre, das seit 1971 Kiwis, diese vom Aussterben bedrohten, flugunfähigen, nur in Neuseeland beheimateten Vögel züchtet. Hier kann man diese nachtaktiven Tiere in einem Nocturama bei Mondlicht beobachten, aber halt nicht fotografieren. Wir wollten uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, umso mehr, dass man hier auch andere landestypische Vögel und Reptilien zu Gesicht bekommt.

 

 

 

 

 

Unsere nächste Station war einmal mehr der internationale Flughafen in Auckland, wo wir am Abend Katja verabschiedeten, die in die Schweiz zurückflog. Jetzt waren Margrit und ich allein auf uns gestellt. Erstmals mussten wir unseren Weg durch ganz Auckland, über die Harbour Bridge und zurück nach Marsden Cove selber finden. Nicht ganz ohne in diesem noch ungewohnten Linksverkehr. Spätnachts erreichten wir KAMA*, in welcher es spürbar leerer geworden ist.