Küste der Seelöwen
Wir verliessen Motueka in südlicher Richtung durch das gleichnamige Valley. Wir wollen an die Westküste. Ein fruchtbares Tal, in welchem hauptsächlich Hopfen angepflanzt wird. Daneben werden aber auch Äpfel angeboten, vor allem aber finden wir hier die schönsten und besten Zitronen. Diese sind von einer Güte, wie wir sie nicht einmal in Limone angetroffen haben.
In Kohau gibt es Kaffee in einem Lokal, das sich auch als Kunstgalerie gibt. Wir bestaunen also die dort ausgestellten Papierbiester, bevor wir nach St. Arnaud, am Lake Rotoiti, weiterfahren.
Hier befinden sich ein paar Skigebiete Neuseelands. Die Saison ist aber längst vorbei. Der See liegt eingebettet zwischen Höhenzügen, die bis zweitausend Meter hoch aufragen. Es gäbe hier auch viele Wandermöglichkeiten, doch das Wetter ist nicht einladend.
Überhaupt scheint uns das Wetter nicht wohlgesinnt. Wir beschliessen eine Programmänderung und entscheiden, statt an die West-, an die Ostküste zu fahren, da es dort weniger zu regnen scheint. Doch da gab es noch eine Strasse, die durch die Berge nach Hanmer Springs führt. Sie war aber ausserhalb der Hauptsaison gesperrt.
So fuhren wir das wilde Wairau Valley herunter und gelangten so nach Blenheim.
Im unteren Abschnitt des Tales fährt man stundenlang durch nichts anderes als Reben, Reben und nochmals Reben. Was nach Motueka das Bier war, ist hier der Wein. Wir durchquerten die Stadt und gelangten nach Rarangi an der Cloudy Bay. In einem noblen Haus direkt angrenzend an die Marsch beziehen wir ein Studio, welches uns jeglichen Luxus bietet.
Von hier gelangen wir durch die blumige Salzwiese direkt zum Strand, der Raum lässt für ausgedehnte Wanderungen, immer mit dabei, Scrappy, der kleine Haushund. Er hört, wenn das Gartentor geöffnet wird und kommt sofort angesprungen.
Nach Süden führen unsere Streifzüge bis zur Mündung des ersten Wairau River Arms. Dort ist Schluss. Hier, offenbar ist Saison, wird whitebaiting betrieben. Die Leute stehen mit grossen Netzen im Wasser und fangen die vom Meer her in die Flüsse hinaufziehende Fischbrut. Diese Fische sind noch so klein, dass sie durchsichtig sind. Whitebait ist in Neuseeland eine Delikatesse und wird bis zu hundertvierzig Dollar pro Kilo gehandelt. Schliesslich werden daraus dann aber doch nur Omeletten oder Fritter gebraten. Eigentlich schlimm, wenn man bedenkt, dass vier von den fünf gefischten Arten als gefährdet gelten.
Nördlich unserer Behausung ist die Küste felsig und steil. Wir besuchen dort einige Buchten und Höhlen.
Ein Weg scheint auf einen Hügel zu führen. Er verliert sich aber im Unterholz und wir versteigen uns in diesem glitschigen, abschüssigen Gelände. Das Einzige, das wir wissen, oben müsste die Strasse kommen, unten ist das Meer. Ohne Absturz gelangen wir hinauf zur Strasse und zurück zum Auto.
Wir fahren zur Whites Bay, wo sich ein historisches Gebäude befindet. So gut, wie es letzthin restauriert wurde, glaubt man kaum, dass es schon seit 1866 hier steht. Hierher führte das erste Telegrafenkabel, das die Nord- mit der Südinsel verband und immerhin ein paar Jahre betrieben wurde.
Das 700 Seelen Dorf Rarangi scheint recht aktiv zu sein. Zum 150 Jahr Jubiläum des Treaty of Waitangi haben die Schüler eine Zeitkapsel versenkt. Am gleichen Ort wurde zur Milleniumswende ein Felsblock gesetzt, der mit zwei Bohrungen versehen wurde. Durch die eine Bohrung blickt man Richtung Süd zum Gipfel des 2885 m hohen Mt. Tapuae-o-Uenuku, der als erster Gipfel der Südinsel morgens von der Sonne beschienen wird. Durch das zweite Loch sieht man jeweils am 1. Januar den Sonnenaufgang.
Bis zum Neujahr wollten wir allerdings nicht warten. Wir verliessen Rarangi nach Norden auf der stark gewundenen Küstenstrasse, um über Picton wieder nach Blenheim zu gelangen.
Dann folgten wir der Küstenstrasse nach Süden. Diese Strasse ist völlig neu gebaut, nachdem das Erdbeben vom November 2016 das ganze Ufer komplett zerstört und die Landschaft völlig neugestaltet hat. Noch heute wird in der Strassenkarte darauf hingewiesen, dass viele der Strassen aufgrund dieses Ereignisses womöglich nicht passierbar sind. Die Uferlinie ist jetzt aber fast parkähnlich ausgebaut, hat viele Ausstellplätze und Beobachtungsposten, wo man Seelöwenkolonien beobachten kann.
Diese Tiere liessen sich durch das Erdbeben nicht beirren und bevölkern zu Hunderten die Strände. Sie lassen es sich hier gut gehen, führt doch eine Meeresströmung, der Hikurangi Trench, gespiesen aus dem Kermadec Trench, nährstoffreiches Wasser heran und sorgt für volle Teller. Auch Walfische kommen deswegen auf ihrer Wanderung immer wieder hier vorbei und schöpfen aus dem Vollen. In der Maori Mythologie gilt diese Meeresströmung als Nabelschnur, welche sie und Te Ika a Maui mit ihren Vorfahren im pazifischen Raum verbindet. Auf dem Weg nach Kaikoura unterbrechen wir unsere Fahrt mehrmals. An manchen Plätzen können auch wir Menschen aus dem Vollen schöpfen, dort nämlich, wo im Schnellimbiss Langusten angeboten werden. Der Küstenabschnitt ist berühmt für diese kulinarische Spezialität. Die edlen Tiere im Schnellimbiss zu verzehren, schien uns dann aber doch zu abwegig. Gegen Abend trafen wir in Kaikoura ein. In der Sprache der Maori bedeutet kai = essen und koura = Languste.
An diesem Nachmittag blieb uns genügend Zeit, die Halbinsel von Kaikoura zu besuchen. Auch hier lagen überall Seelöwen herum, die sich auf den aufgeheizten Felsen wärmten und die letzten Sonnenstrahlen genossen. Wir streiften über die Felsplatten und liessen uns durch das schaurige Gebrüll der Seelöwen erschrecken, bis uns der aufgehende Vollmond nach Hause schickte.
Dann erklommen wir noch den Hügel,
bevor uns der Vollmond nach Hause schickte.
Guet Nacht!