Die grosse Rundreise / JADE UND PFANNKUCHEN

Jade und Pfannkuchen

Klar, dass wir in unserem Container gut geschlafen haben und somit heute wieder voll motiviert unserer Reise fortsetzen.

Der Himmel hängt an diesem Morgen ungewöhnlich tief, was wir uns nicht gewohnt sind. Das Wetter war uns in den letzten Tagen so wohlgesinnt, wie man das auf der Südinsel, schon gar nicht an der Westküste, nicht erwarten darf. Die Niederschlagsmenge beträgt hier das Vierfache derjenigen von Auckland.

Im Hinterland fahren wir gegen Norden, wo wir auf den Hokitika River stossen, der eine wilde Schlucht in die Landschaft gefressen hat. Dem diesigen Wetter zum Trotz, beschliessen wir die vorgeschlagene Rundwanderung zu machen. Eine Hinweistafel beim Parkplatz macht auf die Sandflies aufmerksam. Bevor wir losziehen sprayen wir uns also tüchtig ein, denn die Liebe dieser Plagegeister zu uns beruht nicht auf Gegenseitigkeit.

 

 

 

 

 

 

Der Weg führt durch üppigen, fast unberührten Urwald hinunter in die Schlucht. Immer wieder gibt der Wald den Blick auf den darunter liegenden Fluss frei.

Unten der ruhig dahinfliessende Fluss, in den Baumwipfeln mystische Nebelchen.
Schon ist die erste Hängebrücke in Sicht.

Bald gelangen wir nach unten zur ersten Brücke. Dort staunen wir nicht schlecht über die angebrachte Warntafel. Die Maximalbelastung beträgt sechs Personen oder eintausend Kilo. Entweder haben die Benützer dieser Brücke gewaltige Rucksäcke dabei, oder wir Europäer haben keine Ahnung von neuseeländischem Übergewicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir ignorieren diese Warnung und wagen, den Fluss auf dieser Brücke zu überqueren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Reissend, aber doch erstaunlich ruhig fliesst der Fluss unter uns durch. Sein türkisfarbenes Wasser ist selbst bei diesem diesigen Wetter eklatant. Das versuchen wir natürlich in Bildern festzuhalten. Ob das gelingt?

 

 

 

 

 

Glücklich am andern Ufer angekommen, setzen wir unseren Weg durch den Wald flussaufwärts fort. Der Wald düster, die Bäume mit gepeitschten Stämmen. Unter uns strahlt die Wasseroberfläche des Flusses eine metallische Klarheit aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bald schon kommt die zweite Brücke in Sichtweite, welche die beiden Ufer verbindet. Elegant, unauffällig führt sie über das Wasser.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese Brücke scheint belastungsfähiger. So können wir ohne allzu heftiges Herzpöpperle die Aussicht geniessen.

 

 

 

 

 

Wir beenden unsere Schluchtenwanderung ohne einen einzigen Stich, gehen zurück durch den Wald, setzen uns ins Auto und fahren hinunter in die Stadt.

Zurück durch den feuchten Wald.

Hokitika war einst Provinzhauptstadt von Westland. 1864 gegründet als Goldgräberstadt stellte sie eines der Zentren des damaligen Goldrausches dar und zählte in den guten Zeiten über 6000 Einwohner. Die Stadt war so wichtig, dass eine Eisenbahnlinie von Greymouth her gebaut wurde, die später sogar bis nach Ross verlängert wurde. Einer der Söhne dieser Stadt war Richard John Seddon der von 1893 bis 1906 Premierminister Neuseelands war. In seiner Funktion als Regierungsoberhaupt legte er die Basis für den neuseeländischen Wohlfahrtsstaat, indem er die erste staatliche Altersvorsorge im Commonwealth einführte. Aus dieser Zeit stammen auch die bedeutenden Gebäude, die man heutzutage noch bewundern kann. Wie allen Ortes, nach dem Goldrausch ging die Bewohnerzahl drastisch zurück. Heute leben in Hokitika noch rund 4000 Personen. Die Stadt vermarktet sich aber gut und entwickelte sich zu einem Publikumsmagnet, so dass die Wirtschaftslage dank des Tourismus recht stabil erscheint.

 

 

 

 

 

 

Das Carnegie-Building ist…
…ehemalige Bibliothek, heute Galerie und Teil eines Museums.
Uhrenturm, Wahrzeichen von Hokitika.

Die Geschichte mit dem Goldrausch ist aber nur die halbe Wahrheit über diese Stadt. Schon Jahrhunderte zuvor haben die Maoris hier in der Gegend von Hokitika den Pounamu, auch bekannt als Greenstone oder Jadestein entdeckt und gesammelt. Er ist nur an wenigen Orten zu finden, hauptsächlich aber im Aruhura River, nördlich von Hokitika. Die Stadt ist voll von Werkstätten und Boutiquen, die diese Preziosen in allen möglichen Formen herstellen und anbieten.

 

 

 

 

 

Von den Maoris wird Pounamu als heiliges Material angesehen, das für seine Schönheit und Stärke verehrt wird. Es wurde benutzt um Waffen und Werkzeuge herzustellen, aber auch Schmuck, der als Talisman getragen wurde. 

Dieses Foto wurde mir von Frau Robert zur Verfügung gestellt. Dahinter verbirgt sich eine ganz besondere Geschichte, die ich hier aber aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht preisgebe. Jedenfalls hat dieses Herz dazu geführt, dass wir eine neue Freundin und Seelenverwandte gefunden haben. Soll einer sagen, es gehe keine Kraft von diesem Stein aus.

 

 

 

 

 

Beim Bearbeiten des grünen Goldes werden die verschiedensten Maori-Symbole verwendet:

  • Koru, der sich entfaltende Farn, neues Leben und Neuanfang symbolisierend.
  • Manaia, ein mythologischer Wächter mit Vogelkopf, Menschenkörper und Fischschwanz, der Himmel, Erde und Meer verkörpert.
  • Pikorua, um die Reise des Lebens, Freundschaft und Ewigkeit darzustellen.

Auf unserem Schiff KAMA* haben wir ein Hei Matau, einen Fischhacken. Es ist ein Geschenk unserer Freundin Julie aus Opua. Hei Matau steht für Stärke, gute Gesundheit, Glück und Fülle, Schutz für Reisende, vor allem denjenigen, die übers Wasser reisen und wird als guter Glücksbringer gesehen für alle diejenigen, die die See lieben. Pounamu wird von den Maoris den Göttern geweiht. Als Taronga, als Geschenk, soll es mit Respekt und Stolz getragen werden. Greenstone ist ein Geschenk aus dem Herzen. Unser über dem Eingang hängender Fischhacken  wurde von einem durch den lokalen Maoristamm beglaubigten Schnitzer handgefertigt, poliert und bezaubert.

 

Viele weitere Symbole wären erwähnenswert. Allen gemeinsam ist, sie sollen die Träger schützen, heilen und mit seinem Land und seinen Vorfahren verbinden. Nur wenige Künstler sind fähig diesen extrem harten Stein zu bearbeiten. Schon den Stein im Fluss zu finden ist schwierig, weil er unauffällig schwarz im Wasser liegt und erst bei der Verarbeitung seine wunderbar grüne Farbe preis gibt. Übrigens, gemäss Maori-Tradition soll man einen Pounamu nie für sich schnitzen oder kaufen, sondern nur jemand Besonderem schenken, so wie uns das Land den Stein geschenkt hat.

Wir flanieren durch die Stadt und betrachten die altehrwürdigen Gebäude, von denen es hier noch so einige gibt. Auf diesem historischen Rundgang erleben wir eine kleine, coole Stadt. Langsam aber wird das Knurren in unseren Mägen unüberhörbar. Wir beschaffen uns einen Sandwich und picknicken am Strand. Jeweils im Sommer findet hier das «wild food festival» statt, Da gehören wir definitiv nicht dazu und geben uns mit einfachen Sandwiches zufrieden. Zum Glück, denn beim Blättern in der Menuekarte könnte einem der Appetit vergehen. Zu den harmlosesten Dingen gehört das Hirschgulasch. Wie steht es mit Lust auf Bergaustern? Dahinter verstecken sich Schafshoden. Oder eine Pfanne voll Westcargots, Schnecken? Das Hirn der armen Schafe wird zu einer Paté verarbeitet. Wie wäre es mit knusprig gebratenen Taranteln, zum Dessert ein Wespenlarven -Eis? Sogar Mondschein Menus sind zu bekommen, illegal gefertigte Speisen und Drinks, die nachts heimlich zugerichtet werden. Über die richtig «gruusigen» Dinge schweige ich mich aus. Verblüffend, wie viele hoch dekorierte Köche an diesem Event teilnehmen.

Im Januar findet ein ungleich erfreulicheres Festival statt, das wir leider auch nicht gesehen haben. Es handelt sich um das Schwemmholz und Sandfestival. Dabei werden allerlei Kunstwerke gefertigt aus Materialien, die man am Strand findet. Das muss ein unglaubliches Gewusel sein. Ein Video aus dem Internet gibt einen kleinen Eindruck. Was immer vorhanden zu sein scheint, ist die Holzskulptur mit dem Namen der Stadt.

Driftwood / Schwemmholz, liebevoll gesammelt

Der Strand erscheint nicht badefreundlich und ladet kaum zum Bade. Vielleicht liegt es am diesigen Wetter. Nicht nur für Schiffe, auch für Schwimmer ist dieser Küstenabschnitt gefährlich. Es wird vom Baden abgeraten, weil man durch die Strömung ins offene Meer hinausgezogen wird. Wir versuchen es nicht.

In der Nähe des Sunset Points liegt ein Schiffswrack, die Tambo. Es versinnbildlicht die Gedenkstätte für die zahlreichen Schiffe, die hier verunglückt sind. Hokitika war ein wichtiger Hafen während der Goldrauschzeit im 19. Jhdt. Die Schiffe transportierten Goldsucher und Waren. Aufgrund der schwierigen Navigation, den ständigen Nebelbänken und der flachen Küste mit sich dauernd verändernden Sandbarren kam es zu vielen Schiffsunglücken . Man kennt 42 Schiffe, die den Herausforderungen dieser rauen und unberechenbaren Umgebung nicht gewachsen waren und folgenschwer auf den Sandbänken geendet haben. Die Stätte bietet Gelegenheit das Gedenken an alle die tragischen Ereignisse zu bewahren und die Gefahren der Schifffahrt in dieser Gegend hervorzuheben.

 

 

 

 

 

Wer nun beim Lesen über den Bericht des food festivals Hunger bekommen hat, erinnert sich sicher an die im Titel angekündigten Pfannkuchen. Ich muss die Leser aber enttäuschen. Es handelt sich nicht um eine kulinarische Spezialität, sondern um geologische Küstenformationen nördlich von Greymouth. Schon weit vor Punakaki wird die Küste felsiger und imposant.  

 

 

 

 

 

Man hört die tosende Brandung. Wir parkieren auf dem Besucherparkplatz des Paparoa National Parks und begeben uns zu Fuss an die steil aufragende Küste. Hier liegen sie nun die kunstvoll geschichteten Pfannkuchen,  Da scheint ein Kunstbäcker an der Arbeit gewesen zu sein. Er hat nicht nur geschichtet, sondern beim Schichten verschiedenste Formen gezaubert. Man erkennt Kamele, Gesichter, Geister, Leoparden und alles, was in unserer Fantasievorstellung möglich ist. Man möchte meinen, gelungene Skulpturen eines Eat-art-Künstlers. Begleitet wird diese Kunstausstellung durch die laute Musik des Meeres.

 

 

 

 

 

Ich sehe hier ein Kamel.

 

 

 

 

 

Donnernd schlagen die Wellen gegen die Felsen. Aus den sogenannten blow-holes zischt und gurgelt das durch diese Löcher gepresste Wasser. Man erkennt in dieser Naturgewalt den Künstler, der all diese Figuren über Millionen Jahre rigoros aus den verschieden harten Felsschichten herausgeschliffen hat. Ein interessantes Stück Arbeit, das hier geleistet wurde.

Hier spritzt es aus einem blow-hole.

Bevor wir durch die vielen Spritzer klatschnass sind, verlassen wir diese Bäckerstube und fahren hinauf zur Carters Beach, wo wir uns im Motel für die Nacht einnisten.