Die grosse Rundreise / CARTERS BEACH

Carters Beach

An der Carters Beach waren wir eigentlich gar nicht so sehr interessiert. Gelegen zwischen der Mündung des Buller Rivers und Cape Foulwind war die dortige Unterkunft, wieder in einem Top 10, aber idealer Ausgangspunkt für unsere weiteren Unternehmungen. Die Ortschaft Carters Beach ist lediglich gut fünf Kilometer von Westport entfernt. Der Strand, der sich über neun Kilometer erstreckt, ist praktisch unberührt, rein und ursprünglich. Der gut geschützte Strand ist geeignet, um zu schwimmen und allen möglichen Wassersportarten zu frönen. Eine Sportart, die in ganz Neuseeland verboten ist, wird hier trotzdem betrieben: nacktbaden; nicht wirklich das, was uns bei diesen klimatischen Verhältnissen interessiert.

 

 

 

 

 

Nach all den vielen wilden, gefährlichen Stränden, hier einmal wieder ein Küstenabschnitt, der sich etwas gemässigter gibt.

 

Vielmehr machten wir uns auf nach Karamea, der nördlichsten Ortschaft, die an der Westküste der Südhalbinsel mit dem Auto erreichbar ist. Man fährt der Karamea Bight entlang und gerät so in das Oparara Basin. Dieses, im Kahurangi National Park gelegene Gebiet, ist geprägt durch ein ausgedehntes Höhlensystem. Es ist Ausgangspunkt in die Tasman Wilderness Area, die ihrem Namen alle Ehre erweist. Der Kahurangi Park, gelegen zwischen Tasman Sea und Tasman Bay erscheint uns wie ein riesiger Ozean, halt zur Abwechslung in grün statt blau.

Die Gegend ist beliebt bei Hikern und Bikern, die sich hier während mehrtägigen Touren austoben können. Wir waren nicht so ambitioniert. Uns interessierten vor allem der Operara und Moria Gate Arch. Nach etwa einhundert Kilometern Küstenstrasse endet die befestigte Piste und wohl auch die Zivilisation. Von hier ging es entlang einer abenteuerlichen Waldstrasse ins Landesinnere. Nach etwa fünfzehn Kilometern und einer halben Stunde Schüttel und Gerüttel erreichten wir mit unserem zum Glück kleinen Auto den Parkplatz am Ende der «Strasse». Wir waren froh, nicht mehr Verkehr begegnet zu sein. Dies mag an der aktuellen Covid-Situation gelegen sein, aber auch an der Tatsache, dass diese Ecke Neuseelands überhaupt nur wenig von Touristen heimgesucht wird. Etwas benommen schnüren wir hier unsere Wanderschuhe und tauchen ein in einen wunderschönen Regenwald, der beim heutigen diesigen und regnerischen Wetter absolut glaubwürdig und authentisch erscheint.

 

 

 

 

 

Black Robin. Die Natur in Neuseeland zeigt sich ziemlich furchtlos, hatte sie doch bisher kaum natürliche Feinde.

 

 

 

 

 

 

Entlang brauner Nebenflüsse des Oparara Rivers geht’s langsam bergauf. Immer wieder kann man zum ruhig dahinfliessenden Bach hinunter und das vom Tannin gefärbte Wasser bestaunen und sich wundern, wie sich das gegenüberliegende Ufer in dieser dunklen Brühe spiegelt.

 

 

 

 

 

Nach etwa einer halben Stunde Fussmarsch erscheint dann plötzlich steil aufragend dieser mächtige Steinbogen hinter der dichten Vegetation des Regenwaldes.

Der Weg führt nun steil hinauf zu diesem eindrücklichen Gebilde, das sich mit unseren bescheidenen fotografischen Möglichkeiten kaum erfassen lässt. Die beachtlichen Masse dieses Kalksteinbogens erklären diesen Umstand zur Genüge. Es ist der grösste natürliche Felsbogen in der südlichen Hemisphäre. Ein kleines Weltwunder, das sich hier in den letzten dreissig Millionen Jahren gebildet hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bemerkenswert, was dieses an sich belanglose Rinnsal erschaffen hat.

Erstaunlich, dass dieser Ort kaum besucht wird. Wir erzählen niemandem davon, so bleibt es ein Geheimtipp. Ohnehin kann man diese Atmosphäre aus gewaltigem Steinbogen, Fluss, üppigem Regenwald und Stille weder in Worte noch in Fotos fassen. Der durch das feuchte Wetter glitschig gewordene Boden hindert uns daran, den geeigneten Standort für das ultimative Foto zu suchen.

Wir kehren zurück zum Parkplatz, wo wir schon erwartet werden. Füttern von Wildtieren ist hier absolut tabu. Wir werden zwar den Eindruck nicht los, dass diese zutraulichen Wekas gewohnt sind, vom Znünihappen der Besucher ihren Anteil abzubekommen.

Nach einer kurzen Rast machen wir uns auf zum Moria Gate. Der gut begehbare Weg führt in einigen Windungen durch den Regenwald zu einem dunklen Loch. Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, zu tauchen in diesen Schlund (Schiller, Wilhelm Tell). Eine unwillkürliche Assoziation, als wir uns fernab jeglicher Zivilisation aufmachten, in diese Höhle abzutauchen.

Schliesslich war es nur halb so wild, wie es den ersten Anschein machte. Über einen mit einer Kette gesicherten Weg tauchen wir also in diese Moria Höhle, die ihren Namen der Trilogie «Herr der Ringe» von J. R. Tolkien verdankt, dem grössten aller Zwergenreiche, das ebenfalls aus einem Höhlensystem bestand und wertvolle Metalle enthielt.

An einigen Stellen wäre es auch für uns vorteilhaft gewesen, Zwerg zu sein. In der Dunkelheit mussten wir auf unseren Köpfe aufpassen. Das Vogelgezwitscher blieb draussen, dafür vernehmen wir das Plätschern des Baches und von unten dringt wieder Licht in die Höhle. Bald stehen wir unten am braunen Fluss und bewundern das Farbenspiel. Von der Decke hängen Stalaktiten und draussen im Licht der Seelenruhe spendende Wald. Die Landschaft mit ihren Lichtstimmungen, der Stille und Schönheit lässt sich kaum überbieten. Ein Ort zum Verweilen und Geniessen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gerne hätten wir auch andere Höhlen besucht, wie die Honeycombe Caves, die riesige Spinnen, die Nelson Höhlenspinnen (Nelson Cave Spider) beherbergen, welche dort ihre übergrossen Eiersäcke an die Wände hängen und nur hier vorkommen. Diese Höhlen liegen aber tiefer im Kahurangi Park und können ohne Bewilligung oder Führer nicht besucht werden. So machten wir uns über die Schüttelpiste auf den Heimweg.

Ein Besuch der Stadt Westport durfte nicht fehlen. Sie ist die Hauptstadt des Buller Districts, gelegen auf der Ostseite im Mündungsgebiet des gleichnamigen Flusses.

Nachweislich wurde die Gegend von Maoris besiedelt, die, glaubt man der Legende, schon im Jahre 950 hier den Fluss hochgefahren sind und in den Bergen nach Pounamu, dem Jadestein gesucht haben.

Der Buller River bei Westport
Der Uferweg

Die ersten Europäer kamen 900 Jahre später, um nach Bodenschätzen, insbesondere Gold zu suchen. An Bord hatten ihre Schiffe aber auch Robbenjäger. Wirtschaftliche Bedeutung erhielt die Stadt aber durch den Kohleabbau, durch  Forst- und Landwirtschaft. Bis 2013 war der grösste Arbeitgeber die Zementfabrik der Schweizer Firma Holcim, die auch den Hafen betrieb und diesen zum Verschiffen des Zements nutzte.

Wir finden eine saubere, aufgeräumt Stadt, was nicht ganz selbstverständlich ist, wird doch die Stadt immer wieder von schweren Überschwemmungen und Erdbeben getroffen. Selbst Cyclone Fehi stattete 2018 der Gegend einen Besuch ab und richtete schwere Schäden an. Das sieht man der 1928 durch das Murchinson-Erdbeben zerstörten und wieder aufgebauten Stadt kaum an. Bei schönstem Wetter flanieren wir durch die ruhige Stadt. Vor dem Stadthaus kaufen wir Eier von glücklichen Hühnern.

Uns interessiert auch der Hafen. Er liegt in einem kleinen Seitenarm des Flusses. Die Stege wirken eher baufällig. Ausser ein paar Krabbenfischer liegen kaum Boote hier. In Gedanken streichen wir diesen Hafen von unserer Liste der zu besuchenden Häfen.

 

Über den Buller River fahren wir zurück ans westliche Ende der Carter Beach. Vom Parkplatz führt ein Spazierweg hoch zum Leuchtturm von Cape Foulwind. Abel Tasman, der Entdecker Neuseelands nannte diese Ecke Clyppygen Hoeck, felsige Ecke. Beim Anblick der 200 m aufragenden Klippen und des Black Reefs mit seinen drei schroffen Türmen (three steeples) absolut nachvollziehbar.

Das Black Reef mit seinen drei Türmen.

Es war James Cook, der dem Kap den heutigen Namen verpasste. Der Brite geriet hier in grässliche Winde, wobei nicht überliefert ist, was denn grässlich also «foul» für ihn bedeutete. Von kein Wind bis stürmische Winde aus allen Richtungen ist alles denkbar. Jedenfalls hat dieser Name bis heute Bestand. Wir, die vom Wetter wohlwollend Verwöhnten, können uns kaum vorstellen, dass es hier auch toben kann. Die vielen Wracks zeugen davon. Es erstaunt also nicht, dass hier schon früh, 1876, ein Leuchtturm errichtet wurde. Diese Holzkonstruktion hielt den fortwährenden Stürmen und Unwettern nicht lange stand und wurde in den 1920er Jahren durch die heutige Betonkonstruktion abgelöst. Der Wanderweg ist leicht begehbar, etwas touristisch ausgelegt, führt über das Kap zur Tauranga Bay.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schöne Blicke eröffnen sich über die zerklüftete Küste hinaus auf die Tasman Sea.  

 

 

 

 

 

Der Weg ist blumengeschmückt. Erstaunlich die Vielfalt der Natur in dieser an sich rauen Gegend. Die schönen Cabbage Trees gehören zu Neuseeland, während Fingerhut und Ginster erst mit den europäischen Siedlern hierher gekommen sind, sich aber offensichtlich wohl fühlen.

 

 

 

 

 

Oben am Kap finden sich Erklärtafeln, sowie eine Replika eines Astrolabs, einer Art Sextant. Damit konnten die alten Seefahrer ihren Breitengrad bestimmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf der Südseite des Kaps gelangt man zur Tauranga Bay die wegen der oft mächtig daher rollenden Wellen bei den Surfern beliebt ist. Von hier führt auch ein Weg zu einer unten am Kap beheimateten Seehundekolonie. Ohne diesen Umweg kehren wir über das Kap zu unserem Auto zurück.

 

Es ist Zeit diese von den Maoris Kawatiri genannte Gegend zu verlassen. Entlang dem Buller River fahren wir von Westport hinein in die enge, bemerkenswerte Schlucht hinauf in Richtung Lake Rotoiti, wo dieser Fluss seinen Anfang nimmt.

Wo bleibt da Platz für Strasse und Bahn?

 

 

 

 

 

Diesen See haben wir auf unserem Weg Richtung Süden schon besucht. Die Strasse windet sich entlang dem Fluss, wechselt von einer Seite auf die andere, findet jedoch kaum Platz zwischen dem Wasser und den steil aufragenden, dicht mit Wald und Busch bedeckten Bergflanken. Die kurvenreiche Strasse verhindert ein schnelles Vorankommen.

Immerhin haben wir Glück, dass Wochenende ist und die vielen mit Kohle beladenen Lastwagen ihren Ruhetag einziehen. Dafür treffen wir auf hunderte von Motorrädern, welche hier eine Traumstrecke vorfinden, um ihr Freiheitsgefühl auszuleben. Es sind anstrengende Kilometer bis hinauf nach Kawatiri. Dort verlassen wir den Buller River, biegen ab ins uns bekannte Totara Valley und fahren gegen Norden nach Motueka, wo wir im Parkmotel von Allan wieder herzlich empfangen werden. Zufrieden und müde sinken wir in die Sessel auf unserer Terrasse. Der Kreis unserer Rundreise auf der Südinsel hat sich geschlossen.

Sinnige Hinweistafel an einem Stand entlang der Strasse im Totara Valley, wo wir uns mit feinsten Zitronen eindeckten.