NACH URUGUAY

Über Rio Grande nach Uruguay

 

Nachdem wir die Enseada da Pinheiro endlich verlassen konnten, segelten wir mit dem guten Wind, auf den wir so lange gewartet hatten, südwärts. Kurz vor Rio Grande erhielten wir Besuch…

Einmal…

 

zweimal…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

…der sich unter unserem Baum offenbar wohl fühlte, denn dort gehörte er ja hin!?

 

 

Angelockt durch das frische Brot?

 

Ja, ja, ihr könnt servieren!

 

 

 

 

 

 

 

 

Mittlerweile informiere ich noch meine Familie,

 

 

 

wo ich bin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tatsächlich, nach knapp 400 Meilen fahren wir den zwölf Meilen langen Mündungsfluss der Lagoa dos Patos hinauf nach Rio Grande do Sul, einer kleinen Stadt mit lediglich 200’000 Einwohnern. Die Einfahrt in den Kanal ist nicht einfach. Anfangs letzten Jahrhunderts wurden lange Molen gebaut, um die heimtückischen Sandbänke etwas zu entschärfen. Mit dem Gegenstrom waren wir langsam, hatten dafür die Musse die vielen Häfen entlang der Coroa de Dona Mariana zu studieren. Ganz aussen, zu Beginn der Einfahrt kommt der Fischereihafen, gefolgt vom Fleischhafen, dem Kornhafen, dem Ölhafen, dem Chemiehafen etc. Im Containerhafen dieses Superportos werden pro Jahr an die 400’000 Container umgeschlagen. Über Meilen Hafen an Hafen und Schiffe, die sogar heimatliche Gefühle auslösten.

 

 

 

 

 

 

Keine Ahnung, wie diese Reederei auf diesen Namen kommt. Vielleicht gibt es nicht nur in der Schweiz einen Monte Tamaro. Jedenfalls sahen wir vor unseren geistigen Augen den Langensee, den Monte Ceneri,Botta…

Vor unserem natürlichen Auge aber wurde es langsam dunkel, Zeit, um bei diesem dichten Hafenverkehr die Navigartionslichter einzuschalten. Hier hatten wir aber ein Problem. Auf der Steuerbordseite, dort wo jetzt üblicherweise grün aufleuchten sollte, tat sich gar nichts. Dank unserem Nachbarn Jean-Luc, der uns mit aufblasbaren Solarlampen, bei welchen man die Farbe wechseln kann, ausstattete, konnten wir uns praktisch regelkonform gemäss IMO (international maritime organization) beleuchten.

 

 

Danke, Jean-Luc!

 

Jean-Luc ist übrigens auch der Nachbar, der unseren Merlot, unsere Katze über die Zeit unserer Abwesenheit hinweg tröstet und füttert.

 

Kurz vor dem Einnachten erreichten wir den Steg des Oceanografischen Institutes an dem wir KAMA* gleich neben dem der Universität gehörenden Forschungsschiff festbinden durften.

 

 

 

 

 

 

Zur Institution gehört das oceanografische Museum und auch das Museo antartico.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Museumsdirektor ist ein herzensguter, weiser, vorausdenkender Mensch. Er führt nicht nur das Museum, er nimmt sich auch unterprivilegierten Jugendlichen an, denen er in einem eigens dafür gegründeten Institut eine Ausbildung ermöglicht. Zudem betreibt er neben dem Museum eine Wildtierstation, wo er aufgefundene und geschwächte Meerestiere aufpäppelt und dann gestärkt wieder in Freiheit entlässt. Aktuell befinden sich dort ein Pinguinpaar und ein Seelöwe. Dieser Seelöwe wurde vor 25 Jahren als Baby aufgenommen, fand aber jedesmal nach dem Auswildern zur  Station zurück und brüllte dort solange herum, bis man ihn wieder aufnahm. Heute macht er nichts anderes als in seinem Becken umherzuschwimmen und sich täglich mit 15kg Fisch füttern zu lassen. Er macht einen ganz zufriedenen Eindruck.

 

 

 

 

 

 

Hier also hatten wir den ersten Kontakt mit Seelöwen und Pinguinen, aber auch was uns in der Antarktis alles erwarten wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier in diesem Museo antartico fanden wir auch ein Modell des Schiffes PARATII des Brasilianers Amir Klink, der mit seinen Reisen zu den beiden Polen berühmt wurde. Das Schiff selbst haben wir in Paraty im Hafen liegen sehen. Wir verglichen natürlich, ob unsere KAMA* auch so polartauglich sein würde. Es wird sich zeigen!

Die Stadt Rio Grande do Sul macht einen gepflegten und gebildeten Eindruck. Man spürt die Nähe der grossen Universität in Porto Alegre. Die Studenten können hier gratis studieren, müssen aber jährlich ein Examen bestehen. Während der Militärdiktatur sind hier zahlreiche Professoren und Studenten verschwunden. Einfach so…gehört wohl nicht hierhin, auch wenn es betroffen macht. Entsprechend findet man aber in der Stadt auch gehobene Buchläden, wie wir sie seit Wochen nicht mehr gesehen haben. Neben Kirchen und dem Fischereimarkt gibt es auch das von der Uni betriebene Schiffsmuseum.

interessante Bücher
Kirchen

 

 

 

 

 

 

 

der Fischmarkt
im Park

 

 

 

 

 

 

 

Im Schifffahrtsmuseum,

wo wir vom wichtigen Matrosen der südlichen Hemisphäre auch auf dem kleinen Kriegsschiff umhergeführt und instruiert wurden.

 

 

 

 

 

 

 

Also wie ging das?

so!
zielen

 

 

 

 

 

 

 

einstellen
und hopp! Nein, wir sind friedliche Leute.

 

 

 

 

 

 

 

Am 5. April nehmen wir Abschied von unserem schönen Hafenplatz mit der fantastischen Aussicht. Die nächsten 300 Meilen stehen an. Vorbei an der Stadt, am Hafen, gleiten wir den Fluss hinab und gelangen wieder zum offenen Meer. Es zeigt sich freundlich, heisst uns mit einer etwas seltsamen Dünung willkommen.

 

 

 

 

 

 

Die Aussicht von unserem Platz hat uns gefallen.

 

 

 

 

 

 

Vorbei am alten Fischerhafen

 

 

 

 

 

 

der Fähre auf der Lagoa dos Patos und der Stadt

 

 

 

 

 

den schönen Mündungsfluss hinunter

hinaus aufs Meer, wo uns diese fotografisch nur schwierig festzuhaltende, interessante Dünung empfing.

Und dann, am 6. April, nach beinahe fünf Monaten, verlassen wir Brasilien und überqueren die Grenze zu Uruguay.

 

 

 

 

 

 

 

Am folgenden Tag, nachts um elf machen wir an einer Boje im Hafen von Punta del Este fest, von wo wir aber bereits am nächsten Tag weitersegeln nach Piriàpolis.

 

 

 

 

 

 

 

Wir erreichen also unser Ziel in Uruguay glücklicherweise ohne je in einen so gefürchteten Pampeiro oder Carpinteiro (heftigster Südwest- bzw. Südostwind) geraten zu sein. Überhaupt erlebten wir ganz Brasilien als überraschend angenehmen. Unser ursprünglicher Plan, dieses Land möglichst rasch hinter uns zu lassen, geriet arg in Bedrängnis und schliesslich strapazierten wir sogar massiv unsere drei Monate dauernde Aufenthaltsbewilligung. Unsere Vorbehalte und Bedenken gegenüber Land und Leuten wurden ausgeräumt und durchwegs durch positive Erfahrungen ersetzt. Das farbenfrohe Land mit seinen lebenslustigen, herzlichen Einwohnern besticht durch seine enorme Grösse und Weite: o mais grande do mundo. Fragt man die Leute, wie es geht, reagieren sie prompt mit einem Daumen hoch und meinen damit: todo bem, alles gut. Sie lachen selbst dann, wenn sie das Glück mal wieder im Stich gelassen hat. Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Selbst arme Leute, und das sind die meisten, würden mit Dir das Wenige, das sie haben problemlos teilen. In der Tat haben wir wahrscheinlich mehr bekommen, als wir ihnen geben konnten. Des Öfteren wurden wir am Strand spontan angesprochen und einfach zum Nachtessen eingeladen. Brasilianer sind sehr gesellig. Sie umarmen einander, küssen sich und berühren sich gerne. An Festen, wie dem Karneval, verwundert es nicht, dass es möglichst eng zu und her geht und, es findet sich immer ein Grund zum Feiern. Dazu gehört Musik und Rhythmus. Dabei kann es nicht laut genug sein und bis zum Morgengrauen andauern, dann machen die Frühaufsteher weiter. Von Schlafen keine Rede. Ich würde hier sofort in eine Hörgerätefirma investieren. Kein Brasilianer, der zu Musik nicht tanzt oder in irgendeiner anderen Form zappelt. Getrunken wird viel Rum, meist in Form von Caipirinha. Aber auch Bier ist so etwas wie ein Nationalgetränk, das auf Minustemperaturen heruntergekühlt wird und oft in Form von Eis aus der Flasche rauskommt. Ist die Flasche leer, nimmt man sie aus dem faltbaren Plastikkühler und stellt sie unter den Tisch oder nebenan in die Wiese und schon kommt der Kellner mit der nächsten Flasche, gezählt und abgerechnet wird am Schluss. Anfangs wunderten wir uns im Restaurant über die recht hohen Preise auf der Menükarte, bis wir merkten, dass diese meist für drei oder vier Personen berechnet sind. Wer geht dann schon allein in ein Restaurant?! Daneben gibt es noch das Kilorestaurant. Man schöpft sich seine Portion selbst auf den Teller, der dann gewogen wird. Damit wird Verschwendung, wie wir sie bei uns kennen, vermieden. Was wir als eher amüsant empfanden, ist für Brasilianer selbst eher ein Ärgernis: die Bürokratie. Im Umgang mit den Ämtern entwickelte sich wahrscheinlich der Ausdruck jeito oder jeitinho, der in seiner Bedeutung eine Mischung von Lässigkeit, Flexibilität, Bauernschläue und Improvisationstalent darstellt. Problemlösungen sind oft unorthodox und entsprechen nicht immer unseren europäischen Vorstellungen von Rechtmässigkeit und Gradlinigkeit. Jeito ist Teil der Überlebensstrategie. Natürlich entging uns das massive Gefälle zwischen arm und reich nicht. Es führt zu teils massiven, sozialen Spannungen und ist mitverantwortlich für die hohe Kriminalitätsrate. Da helfen auch die vielen leeren Versprechungen der verschiedenen Regierungen nicht, insbesondere wenn diese selbst Teil des korrupten Systems sind. Wir haben Segelfreunde getroffen, die direkt oder indirekt von Aggression betroffen waren. Sie alle waren gezeichnet und traumatisiert. Wir hatten das Glück – und eigentlich haben es die meisten – unbehelligt in diesem wunderbaren Land herumreisen zu können. Die guten und schönen Erinnerungen werden uns auf der Weiterreise begleiten.