SALVADOR DE BAHÍA

Salvador de Bahia

Itaparica, von unserem Ankerplatz aus.

 

Uns gefiel es gut in Itaparica. Die Ortschaft ist bekannt für seine Mineralwasserquelle. Die ganze Bevölkerung reiht sich hier ein, um Flaschen, Kanister oder ganze Bidons abzufüllen und diese mühsam nach Hause zu schleppen. Nicht verwunderlich, wenn man hier am Eingang zur Quelle die Hinweistafel liest: „Êh! àgua fina. Faz velha virà menina“. Übersetzt etwa: bestes Wasser. Macht aus der Alten ein Mädchen. Klar doch, dass ich das auch versuchen musste. Nun, eine Wirkung konnte ich nicht feststellen, was wahrscheinlich daran lag, dass Margrit noch so jugendlich ist, dass man einfach keinen Unterschied feststellen konnte. Da das Wasser aus der „Fonte da Bica“ aber wirklich gut schmeckt, haben auch wir einige Liter abgefüllt und auf die KAMA* geschleppt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von unserem Ankerplatz aus konnte man bei Ebbe die nahe Sandbank schwimmend erreichen, was Margrit und Katja fleissig ausgenützt haben. Man hat dann einige Stunden Zeit, um sich im Sand zu wälzen, spazieren zu gehen oder einfach zu sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abends genossen wir den Sundowner, gingen in die Pizzeria oder flanierten einfach entlang der Uferpromenade zum Dorfplatz. Dabei waren wir nicht die einzigen. Weihnachten war vorbei, da hatten die Einheimischen schon den Karneval im Kopf und patrouillierten trötend, paukend und singend hin und her. Ein fröhliches, lustiges, aufgestelltes, etwas lautes Häufchen zog durch die Gassen und über die Promenade. Irgendwie ansteckend.

 

 

 

 

 

 

 

 

Unser Ziel war aber eigentlich die Stadt Salvador da Bahía. Eine Stadt mit vielen schönen Gebäuden, Kirchen und Plätzen, die ihresgleichen sucht, voll von pulsierendem Leben. 1549 von Tomé de Souza gegründet blieb sie über drei Jahrhunderte die wichtigste Stadt Brasiliens und war Hauptstadt der grossen portugiesischen Kolonie in der Neuen Welt und nach Lissabon die zweitwichtigste Stadt des portugiesischen Imperiums. Schon Mitte des 16. Jhs. wurden afrikanische Sklaven nach Salvador gebracht und in der Folge machten sie die Hälfte der Bevölkerung aus. Weltweit gibt es kaum einen Ort, an welchem die Nachfahren dieser Sklaven ihr Erbe so gut bewahrt haben. Abends liegt der Duft von acarajé, einer Art Croquettli aus Bohnen und Crevetten, aber auch anderen afrikanischen Spezialitäten in der Luft. Auf den Plätzen, auf Märkten oder Innenhöfen bilden sich spontan Capoeira-Kreise. Es werden mystische Candomblé-Zeremonien abgehalten, bei denen die religiösen Anhänger ihre afrikanischen Götter feiern und versuchen mit ihnen in Kontakt zu treten.

An Silvester lichteten wir also unseren Anker und verholten quer über die Bucht in den Hafen Terminal Nautíco, wo wir vis-à-vis von Maramalda und Marisol anlegen konnten. Auch Gregory lag mit seinem Schiff am gleichen Steg, gegenüber der holländischen Yacht, mit den jungen Leuten, die wir ebenfalls, wie Gregory, von Jacaré her kannten. Klar doch, dass sich alle diese jungen Leute, Polen, Holländer, Spanier und eine Schweizerin zusammen taten um an einem der herrlichen Strände an einer riesigen Silvesterparty teil zu nehmen. Die Eltern der jungen Schweizerin indessen verschliefen den Jahreswechsel und liessen sich auch durch das heftige Klopfen der Stegnachbarn nicht aus ihren Träumen wecken.

Am Neujahrsmorgen fand die grosse Prozession, Processão do Senhor Bom Jesus dos Navegantes, die ihren Anfang in der am Hafen nahe gelegenen Kirche Igreja NS da Conceição hat, statt. Da werden zahlreiche Schiffe geschmückt, die voller fröhlicher (ausgeschlafener ?) Leute sind. Dazu wird natürlich viel und laute Musik gemacht. Dann wird das Bildnis des Bom Jesus aus der Kirche auf ein Ruderboot verladen und so fahren sie alle zusammen, inklusive der Marinho do Brasil zum Hafen hinaus der Bucht entlang zu ihrem Bestimmungsort der Igreja de NS da Boa Viagem. Wir hoffen natürlich, dass KAMA* und wir auch von den guten Wünschen profitieren können. Mal sehen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

…und dann fahren sie alle hinaus…

 

Der Hafen liegt ziemlich genau gegenüber dem Elevador Lacerda. Dieser Lift verbindet die Unterstadt, die Cidade Baixa mit der Cidade Alta, wo sich das UNESCO-Weltkulturerbe, der Pelourinho, befindet. Der schön restaurierte Lift überwindet in dreissig Sekunden eine Höhe von 72 m. Schon 1610 installierten Jesuiten mit Seilen und Flaschenzügen einen ersten funktionierenden Lift um Waren und Leute vom Hafen zur Stadt hinauf zu transportieren. Heute können die Funktionäre nur noch den Knopf drücken.

 

 

 

 

 

 

 

 

Anstehen ist angesagt.

 

 

 

 

 

 

 

Zwischen dem Hafen und dem Elevador liegt der Mercado Modelo, das ursprüngliche Zollamt, heute aber ein Markt mit Restaurants. Wenn im Hafen Schiffe mit Sklavennachschub eintrafen, wurden diese bis zu ihrer Versteigerung in den feuchten Tiefen dieses Gebäudes eingelagert. Die Gegend hier gilt als besonders gefährlich. Man sollte sich hier nachts nicht aufhalten, was eigentlich für die ganze Stadt, ja ganz Brasilien gilt.

 

 

 

 

 

 

 

Oben angekommen geniesst man die Sicht auf den Hafen und die Bahía. Quer über den Platz befindet sich das Rathaus, der Palacío Rio Branco, mit seinen eindrucksvollen Bogen. Der imposante Palast steht auf dem historischen Platz, wo im Jahr 1549 das erste Regierungsgebäude Brasiliens errichtet wurde. Nach dem damaligen ersten Generalgouverneur der portugiesischen Kolonie Brasilien, Tomé de Sousa, sind sowohl der Platz, als auch das heutige moderne Regierungsgebäude gegenüber benannt. Die edlen Räumlichkeiten beherbergen Bahias Zentrum für Kultur und Wirtschaft. Der Name „Rio Branco“ geht auf den Baron von Rio Branco zurück, der einer der größten brasilianischen Staatsmänner war.

 

 

Von hier gelangt man über die Praça da Sé in nur wenigen Schritte zum Pelourhino mit seinen farbenfrohen Kolonialhäusern und den zahlreichen Kirchen und Klöstern. Er bildet das Herzstück der Cidade alta. Auf diesen Plätzen und in den engen Gassen wird gelebt. Der Pelô, wie das Quartier liebevoll genannt wird, ist nicht nur Touristenattraktion, sondern das Lebens- und Begegnungszentrum der Einheimischen.

am Weg zur Praça da Sé
Praça da Sé

 

 

 

 

 

 

 

am Pelô

 

 

 

 

 

Geht man durch die Gasse, die an der medizinischen Fakultät vorbeiführt, kommt man auf den Largo do Pelourinho, einen dreieckigen, abschüssigen Platz mit bildschönen Häuserfassaden.

 

Hier trifft man auch auf alte Bekannte aus der alten Welt.

 

 

 

 

 

 

 

Hier stand früher der Pranger, der Pelourhino, an dem Sklaven bestraft und öffentlich blossgestellt wurden. Die Sklaven spielten eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Stadt. Sie errichteten die Kirchen für ihre Herren, durften selber aber ihre eigene Religion nicht ausüben. Sie rächten sich dadurch, dass sie den Engelchen in der Igreja e Convento São Francisco Fratzengesichter verpassten, sie mit übergrossen Sexualorganen ausstatteten oder schwanger erscheinen liessen. Die Küster des letzten Jhs. verdeckten keusch diese kreativen Einfälle.

Am Largo do Pelourhino

 

überall Künstler und Gaukler
und wenn der Coiffeur keine Arbeit hat, wird musiziert

 

 

 

 

 

 

 

An diesem Platz befindet sich ein Museum, das dem Schriftsteller Jorge Amado, der mehrmals für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde, gewidmet ist. Er ist einer der bedeutendsten Schriftsteller Brasiliens. Der Sohn eines Kakaoplantagenbesitzers setzte sich als Journalist und Schriftsteller für die Armen und Unterdrückten ein. Wegen seiner politischen Überzeugung wurde er inhaftiert, flüchtete anschliessend mehrmals ins Exil. Fast alle Werke spielen in der Gegend um Bahía. Seine Werke schildern das Leben und Überleben einfacher Leute, häufig im Milieu der Halbwelt angesiedelt, viele wurden verfilmt, Geschichten voller Vitalität und Lebenslust.

Das Museo Jorge Amado

 

 

 

 

 

 

In den Gassen ausgelassene Stimmung. Man kann sich vorstellen, wie an der Fasnacht die Post abgeht. Hier ein bloco afro, eine Gruppe mit mächtigen Trommeln, afrobrasilianische Kultur verkörpernd. Am Karneval steht ebenfalls Musik im Mittelpunkt mit axé- und pagode-Bands, die auf dahinschleichenden trios elétricos spielen. Wenn man sich als Zuschauer unter die Menge mischt, nennt man das „fazer pipoca“, ein Popcorn im Strassengewühl zu sein.

Igreja e Convento São Francisco zählen zu den prächtigsten Kirchen Brasiliens, vollgestopft mit Dingen die Pracht und Reichtum versprechen. Der Innenhof des Klosters ist mit handbemalten azulejos geschmückt. Im Innern der Kirche hängt ein achtzig Kilo schwerer, silberner Kronleuchter, der über reich mit Blattgold verzierten Holzschnitzereien hängt.

Cruzeiro de São Francisco

 

 

 

 

 

 

 

Die Zeit vergeht unwiderruflich…. Nicht die Zeit, wir vergehen! (Polo Hofer)

 

 

 

 

 

 

 

Die „keuschen“ Engelchen

 

 

 

 

 

wo man hinblickt, unglaubliche Pracht

 

 

Marinha do Brasil

Bahía, deren Hauptstadt, das Herz, Salvador ist, verkörpert eine verwegene Mischung zweier offensichtlich verschiedener Kulturen, Afrika trifft auf Südamerika. Klassische portugiesische Architektur und afrikanische Trommelrhythmen, katholische Kirchen und Klöster und Candomblé vermischen sich hier zu einem spannenden Neben- und Miteinander. Diese Mischung ist wohl einzigartig und so spannend, dass man wohl lange hier bleiben müsste, um diese afro-brasilianische Kultur voll auszukosten. Darüber hinaus bietet der Staat weitere Welterbestätten, einsame Strände und paradiesische Inseln und eine 900 km lange Küste. Und genau dieser Küste wollten wir folgen. Unser weiter entlegenes Ziel waren die Abrolhos, eine Inselgruppe weit draussen im Atlantik, unter strengem Natur- und Militärschutz stehend. Man braucht also eine Bewilligung, für die Katja und ich beinahe einen Tag in den Räumlichkeiten der Marinha do Brasil verbrachten, um sie zu bekommen. Wir waren uns ja schon einiges gewohnt, was brasilianische Bürokratie angeht. Irgendwie war es ja noch amüsant und spannend. Jedenfalls erhielten wir ein Datum, an welchem wir die Inselgruppe besuchen durften. So ausgerüstet und voll getankt verliessen wir am 4. Januar, 2018 den Hafen von Salvador, wollten aber vorerst noch die Bahía de Todos os Santos besuchen, die seit dem 17. Jh. wegen ihrer Hauptstadt mit ihrem schlüpfrigen öffentlichen Leben, ihrer Wollust und Dekadenz den Zunamen „e Quase Todos os Pecados“ erhielt. Insgesamt also „Bucht aller Heiligen und quasi aller Sünden“.

 

und jetzt ab aufs Schiff, Auslaufen ist angesagt.

 

 

noch ein paar Bilder zum Abschied